Mit Forderungen nach artgerechter Haltung und für angeborene Verhaltensweisen mischt sich die extreme Rechte unter Demo-Teilnehmer_Innen, die gegen Tierquälerei protestieren. Im Einsatz für Tierrechte und Tierschutz tarnen sich auch in Bayern gehäuft Anhänger des rechten Netzwerk “Freies Netz Süd” unter den Demo-Teilnehmer_innen, um neue Anhänger_innen zu rekrutieren. Auf ihren Flyern sind eingesperrte und blutende Tiere abgebildet, der Text ist vordergründig unverdächtig. Erst auf den zweiten Blick wird die rechte Propaganda offensichtlich, etwa wenn unter der Kontaktadresse des Flyers eindeutige Personen und Orgas der rechten Spektrums zuzuordnen sind. In Grafing (Oberbayern) gastierte Anfang September der Circus Luna, vor dem sich an jedem Vorstellungstag junge Grafinger_innen gegen Tierquälerei demonstrierten. Wie erst jetzt bekannt wurde, mischten sich unter die Demonstrant_innen sieben Unbekannte und verteilten eigene Flugblätter. Auf ihrem Flyer steht der Link zur Münchner Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA). Sogar ein Eisbärenkostüm habe eine Person getragen, um die Tarnung als Tierschützer perfekt zu machen. Verantwortlich für diese Aktion sind Personen, die dem FNS angehören. Das FNS ist eine Organisationsplattform für Neonazis in Bayern und die Verbindung zwischen der Kameradschaftsszene und rechten Politikern. Mit ihren Aktionen und Kampagnen soll erreicht werden, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen und auf politischer Ebene ihre Handlungsspielräume zu erweitern.
Umso wichtiger ist es, Handlungskonzepte zu entwickeln, um extrem rechte Demoteilnehmer_innen zu enttarnen und auszuschließen. Ein Ausschluss ist im öffentlichen Raum rechtlich schwieriger
umzusetzen, als in geschlossenen Räumen. Hinzu kommt, wenn sich extrem rechte Personen als solche nicht mit eindeutig, einschlägig bekannten Symbolen, Bekleidung und Parolen zu erkennen geben,
könnten Flyer mit Kontaktdaten hilfreich sein. Im Falle der Demo am Zirkus haben Kontaktdaten zu einer eindeutigen Zuordnung zum rechten Spektrum geführt. Neben der BIA München fanden sich hier
das “Infoportal Schwaben”, “Widerstand Schwandorf”, eine von einem Nazi betriebene Kleidungsmarke und das Freie Netz Süd. Gegen dieses Netzwerk hatte im Juli eine groß angelegte Aktion der
Polizei stattgefunden, mit dem Ziel, Beweismittel für ein Verbot zu sichern. Damit kann zunächst ein polizeiliches Verbot der Flyerverteilung erreicht, wenn sich auf dem Flyer Hinweise auf extrem
rechte und verfassungswidrige Orgas ergeben. Solange sich die Personen aber nicht auffällig verhalten, ist es rechtlich schwierig, enttarnte Neonazis von der Versammlung/Demo auszuschließen. Umso
wichtiger sind antifaschistische Interventionen und Teilnahme an Tierrechts_Demos, um extrem rechte Teilnehmer_innen zu blockieren, isolieren und von der Demo abzudrängen. Ebenfalls notwendig
sind Inhalte, die auf Transpis etc abgedruckt sich deutlich von rassistischen Inhalten abgrenzen und keine Überschneidungen zulassen. Slogans wie “Gegen Wildtiere im Zirkus” sind auch bei rechten
“Tierschützer_innen” beliebt. Es sind doch konkrete Phänomene, die in der Tierrechtsszene ab und an auftauchen, an denen Nazis versuchen anzuknüpfen, wie der Holocaust-Vergleich, das
Schächten und der Menschenhass, die anschlussfähig machen. Im Falle einer Tierschutz-, Tierrechtsdemo sind antispeziesistische, abolitionistische(1), emanzipatorische Inhalte,
die das Mensch-Tierverhältnis und ihre Befreiung/Unterdrückung thematisieren hilfreich, diese Anschlussfähigkeit zu unterbinden. Notwendig ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den
Kernpunkten extrem rechter Ideologie.
Im Folgenden gibt es einige wichtige Tipps und rechtliche Aspekte, wie mensch eine Teilnahme von extrem rechten Personen verhindern kann, vorausgesetzt sie werden als solche enttarnt.
Um zu verhindern, dass die Kundgebung oder Demonstration durch Parallelveranstaltungen gestört wird, solltet ihr den geplanten Zeitraum bei der Anmeldung großzügig angeben. Soll also eine Kundgebung von 17.00 bis 19.00 Uhr vor dem Rathaus stattfinden, empfiehlt es sich bei der Anmeldung den Zeitraum von 15.00 bis 20.00 Uhr anzugeben. Jede andere Kundgebung auf dem Platz oder in unmittelbarer Nähe, die nach der Anmeldung angemeldet wird, muss dann in räumlicher oder zeitlicher Entfernung stattfinden. Demonstrationen und Kundgebungen können für mehrere Wochen und Monate im Voraus angemeldet werden. So kann kein anderer Veranstalter zuvorkommen. Es wird in der Regel die Veranstaltung genehmigt, die zuerst angemeldet wurde. Bei der Anmeldung könnt ihr – durch Titel und Untertitel der Demo sowie im oft stattfindenden Kooperationsgespräch mit der Polizei – genaue Angaben darüber machen, was auf eurer Veranstaltung stattfinden soll und was nicht. Die Anmelder_innen können Zweck und Inhalt der Demo vorgeben, aber letztendlich nicht, was nicht zugelassen ist. Es sollte bei der Anmeldung gleich mit angegeben werden, dass rassistische, antisemitische, sexistische und völkisch-nationalistische Inhalte in mündlicher, schriftlicher oder bildlicher Form dem Versammlungsgegenstand widersprechen. Das Äußern von abweichenden Meinungen während einer Demo kann man damit aber natürlich nicht ausschließen. Ein vorher von euch erklärter Ausschluss einer bestimmten Personengruppe ist rechtlich nicht bindend, aber dennoch sinnvoll. Trotzdem sollte bei den Vorgesprächen mit der Polizei der Einsatzleitung deutlich gemacht werden, dass die Organisator_innen darauf bestehen werden, Nazis von der Veranstaltung auszuschließen, und entschlossen sind, diese Forderung durchzusetzen.
Das Ausschlussrecht bei Veranstaltungen unter freiem Himmel steht nur der Polizei zu, nicht den Leiter_innen der Versammlung. Die Polizei muss aber dafür sorgen, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit besteht, d.h. Versammlungen mit einem bestimmten Inhalt störungsfrei durchgeführt werden können. Der Zweck der Versammlung wird bei der Anmeldung bestimmt und darf nicht gröblich gestört werden. Gröblich ist eine Störung dann, wenn sie als besonders schwer empfunden wird und sie eine Unterbrechung, Behinderung, Auflösung oder Aufhebung der Versammlung bezweckt oder zur Folge haben kann. Die Störer_innen müssen absichtsvoll und willentlich stören, damit sie ausgeschlossen werden können; einzelne Zwischenrufe, Transparente oder in der rechten Szene übliche Kleidung reichen rein rechtlich nicht als Grund. Es ist also versammlungsrechtlich gar nicht so leicht, einen bestimmten Teilnehmer_innenkreis auszuschließen. Aber: Lässt die Teilnahme von beispielsweise Kameradschaftsangehörigen an einer Demo gegen Sozialabbau eine grobe Störung bzw. Eskalation erwarten, kann ihre Teilnahme von der Polizei verhindert werden, wenn diese annehmen muss, dass sonst die Durchführung der Demo gefährdet ist. Als wie störend die Polizei die Anwesenheit von Nazis empfindet, hängt auch davon ab, was diese an Unruhe und Unkontrollierbarkeit für die Polizei auslöst. Argumentiert werden muss hier damit, dass ein begründeter Verdacht besteht, dass die Auseinandersetzung nicht nur mit verbalen Mitteln stattfinden wird oder aber, dass die Nazis einen Block innerhalb der Versammlung, also eine »Versammlung in der Versammlung« bilden. Der Ausschluss von den Kameradschaftsangehörigen stellt dann den kleineren Eingriff in das auch für die Nazis geltende allgemeine Recht auf Versammlungsfreiheit dar. Das Schutzrecht der Versammlung ist hier für diejenigen Teilnehmer_innen höher zu bewerten, die sich unter Motto und Inhalt der Versammlung stellen, als für diejenigen Teilnehmer_innen, die sich im offenkundigen Widerspruch zum Versammlungsinhalt bewegen. Deshalb kann letzterer Personenkreis zur Vermeidung erheblicher Störungen der Versammlungen durch die Polizei ausgeschlossen werden. Als Versammlungsleiter_in sollte man den Ausschluss von Nazis ausdrücklich verlangen.
Sollten Nazis oder andere Leute beispielsweise mit völkischen Transparenten erscheinen oder entsprechende Parolen rufen, so müssen diese von der Versammlungsleitung aufgefordert werden, die Veranstaltung sofort zu verlassen. Sollten sie sich dieser Anordnung widersetzen, könnt ihr die Polizei auffordern, Platzverweise auszusprechen. Zugleich sollten möglichst viele Leute die Nazis umringen und ihnen deutlich sagen, dass sie nach Hause gehen sollen. Man kann sich Nazis gemeinsam offensiv in den Weg stellen oder sie konsequent aus der Demo drängeln. Handgreiflichkeiten allerdings verbietet das Recht. Wenn die Polizei trotz Aufforderung keine Platzverweise gegen Nazis ausspricht, kann es eine Möglichkeit sein, die Demonstration aufzulösen und vor Ort der Einsatzleitung der Polizei gegenüber eine Spontanveranstaltung anzumelden, die sich beispielsweise gegen Rechtsextremismus und Nationalismus richtet.
Interessant: Broschüre “Nazis und Tierrecht”
Anmerkung:
(1): Der abolitionistische Ansatz