Als Psychologe betreue ich seit Jahren Opfer von Sekten und Psychokulten, auch Menschen, die auf Hellseher, Wunderheiler oder sonstige Esoterikquacksalber
hereingefallen sind. Dieses Engagement gegen jede Form von Totalitarismus und Hirnverkleisterung setzt sich nahtlos fort in meiner Tätigkeit als Tierrechtler, weshalb ich mich seit je gegen die
Versuche der Glaubensgemeinschaft »Universelles Leben« wende, Einfluß innerhalb der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung zu gewinnen: Nicht unerhebliche Teile der Bewegung ergehen sich
bekanntlich in einfältigster »Hauptsache-für-die-Tiere«-Rhetorik und eröffnen damit nolens-volens eine grundsätzliche Zusammenarbeit auch mit Neonazis: Wer als Tierrechtler gemeinsame Sache mit
dem UL bzw. mit Personen aus dem Dunstkreis dieses von Kritikern als totalitär und hochaggressiv eingestuften Psychokults macht (vgl. hier), hat kein Argument mehr zur Hand, weshalb er das nicht auch gemeinsam mit Neonazis machen könnte und sollte. Es reicht, wenn diese sich irgendein Tierschutzetikett wie
Schächtgegner, Vivisektionsgegner oder ähnliches anheften – in der Tat suchen Neonazis seit geraumer Zeit, in der Tierrechts- und Veganszene Fuß zu fassen -, um prinzipiell zu Aktions- und
Bündnispartnern werden zu können. Kontext und Zielrichtung treten dabei zwangsläufig in den Hintergrund.
Abgrenzung gegen pseudotierrechtliche Gruppen
Gerade in der einsichtigen Notwendigkeit, sich von der antisemitsch oder prinzipiell fremdenfeindlich motivierten Forderung von DVU, NPD oder der so genannten
»Nationalen Sozialisten« nach einem Verbot des Schächtens abzugrenzen, wird die Absurdität deutlich der von Teilen der Tierrechtsbewegung erhobenen Forderung nach Zusammenarbeit mit jeder
beliebigen Einzelperson und Gruppe, die, aus welcher Motivation immer, »Tierschutz« oder »Tierrecht« auf ihre Fahnen geschrieben haben. Tatsächlich ist gerade dann, wenn ein punktuell gleiches
Ziel angestrebt wird – hier: ein Verbot des Schächtens -, konsequente Abgrenzung unabdingbar von Personen und Gruppen, deren dem Tierschutzgedanken übergeordnete Ideologie in Widerspruch steht
zur Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Der Neonazi kann ebensowenig zum Bündnispartner für die Tierrechtsbewegung werden wie der Papst oder die Prophetin des »Universellen Lebens«, nur
weil sie irgendwo eine Position zu vertreten vorgeben, die für sich gesehen auch von dieser vertreten wird.
Ernstzunehmender Einsatz für die Befreiung der Tiere ist immer auch Einsatz für eine herrschaftsfreie Gesellschaft. Psychokulte, Sekten, Religionsgemeinschaften
jedweder Art, einschließlich der etablierten Kirchen, haben mit der Utopie der Befreiung von Mensch und Tier nichts zu schaffen; so wenig wie Nazis und Neo-Nazis. Es kann insofern keinen
Schulterschluss geben mit Personen, Gruppierungen oder Institutionen, deren Tierschutz- oder Tierrechtsengagement einer tatsächlich tier-, menschen- und lebensfeindlichen Ideologie vorangestellt
ist. Egal ob unter dem Kreuz, dem Hakenkreuz oder unter sonst einem der zahllosen Embleme von Unterdrückung, Ausbeutung oder Herrschaft.
rage&reason
Ich halte eine vertiefte Auseinandersetzung mit tierrechtstheoretischen Fragen, wie sie im herkömmlichen Tierschutz meist völlig außen vor bleibt, für unverzichtbar,
soll die weitgehende Konzeptions- und damit Einflußlosigkeit der Tierrechts- und Veganbewegung überwunden werden. Zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen habe ich deshalb vor Jahren schon
die Tierrechtsorganisation rage&reason begründet, die einen Beitrag zu solcher Auseinandersetzung zu leisten sucht.
Eines meiner konkreten Tierrechtsprojekte dreht sich um die Abschaffung sogenannter Tierheilpraktiker, die ohne ernstzunehmende Ausbildung oder Qualifikation und mit
gänzlich unbrauchbaren Verfahren (Aderlass, Bioresonanztherapie, Homöopathie etc.) an kranken Tieren herumdilettieren; ein anderes um die kritische Untersuchung und Bewertung »tiergestützter
Therapieverfahren«, insbesondere der sogenannten Delphintherapie. Hand in Hand mit meiner tierrechtstheoretischen Arbeit engagiere ich mich sehr praktisch in einem Asyl für große Hunde in
Niederbayern. Ich lebe selbst seit Jahren mit Doggen zusammen, die ausgesetzt oder schlechter Haltung wegen polizeilich beschlagnahmt worden waren.
Great Ape Project
Als Beiratsmitglied der Giordano Bruno-Stiftung koordiniere ich seit letztem Jahr den von der Stiftung initiierten relaunch des 1993 von Paola Cavalieri und Peter
Singer begründeten Great Ape Project, das den Großen Menschenaffen – Gorillas, Orang Utans, Schimpansen und Bonobos – einige jener Grundrechte zu verschaffen sucht, die bislang nur für Menschen
gelten: das Recht auf Leben, auf körperliche wie psychische Unversehrtheit sowie auf Freiheit und Selbstbestimmung im Rahmen ihrer natürlichen Anlagen. Zur unter Tierrechtlern viel und kontrovers
diskutierten Frage, was den Einsatz gerade für Menschenaffen rechtfertigt, durch deren allfälligen Einbezug in die Rechtsgemeinschaft der Menschen sich nur die Grenzlinie verschöbe und nun
Menschen und Menschenaffen auf der einen von allen anderen Tieren auf der anderen Seite trennte, woraus letztere – Elefanten, Delphine, Kühe, Schweine, Hühner etc. – keinerlei Nutzen bezögen,
sage ich in aller Pragmatik: irgendwo muß schließlich begonnen werden. Zudem – und das ist das Entscheidende – stellen Menschenaffen den Dreh- und Angelpunkt des Verhältnisses Mensch-Natur dar,
sie definieren wie nichts und niemand sonst die sakrosankte Grenzlinie zwischen Mensch und Tier: sind sie festgeschrieben »auf der anderen Seite«, sind das alle anderen Tiere mit ihnen. Würde die
Grenze durchlässig, könnte das ein »Türöffner« sein, der letztlich allen Tieren – den menschlichen wie den nicht-menschlichen – zugute käme. Im besten Fall könnte es zu eben jenem Dammbruch
führen, den die Vertreter der ‚alten Ordnung’ so sehr befürchten: zu einem radikalen Wandel des gesellschaftlichen Konsenses über das bisherige Verhältnis Mensch-Tier.
Literatur
Goldner, C.: Esoterik und Tierrechte. In: Witt-Stahl, S. (Hrsg.): Das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen: Beiträge zu einer kritischen Theorie für die
Befreiung der Tiere.
Goldner, C.: Die Überwindung der Trennlinie zwischen Mensch und Tier. In: Giordano-Bruno-Stiftung (Hrsg.): Grundrechte für Menschenaffen (Schriftenreihe Band 4) – ab
30.03.2012 erhältlich auf http://www.alibri-buecher.de und im Buchhandel.
- Vorsicht Tierheilpraktiker! ‚Alternativveterinäre’ Diagnose- und Behandlungsverfahren. Aschaffenburg 2006