Seit geraumer Zeit versuchen Neonazis, in der Tierrechts- und Veganszene Fuß zu fassen. Sie tauchen auf Aktionstagen und Demos auf, verteilen Flugblätter, lassen sich in ihren Publikationsorganen zu entsprechenden Themen aus. Die Zielrichtung ist klar: mit Tierschutzrhetorik konnte schon einmal Sympathie quer durch sämtliche Bevölkerungsschichten gewonnen und insofern verdeckte Propagandaarbeit geleistet werden. In der Tat basiert das Interesse, das Neonazis, vor allem die Jungen Nationaldemokraten (Jugendorganisation der NPD), seit einiger Zeit an Tierrechten und an Veganismus zeigen, auf durchaus historischem Vorbild: Denn in der Tat präsentierte sich eine ganze Reihe an Nazi-Größen, Hitler vorneweg, ausdrücklich als Tierschützer.
Selbst Göring als passionierter Jäger stellte sich als Tierliebhaber und engagierter Tierschützer dar, desgleichen Himmler, der vor seiner Karriere in der SS eine eigene Hühnermastanstalt vor den Toren Münchens betrieben hatte. Mit Tierschutzpropaganda konnte man populistisch geschickt anknüpfen an eine seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert schon sich entwickelnde und in hunderten von Vereinen organisierte Hinwendung zu Natur- und Tierschutz in breiten Teilen der Bevölkerung. Mit der Vereinnahmung der Idee samt nachfolgender Gleichschaltung der zahllosen Tierschutz- und Antivivisektionsvereine konnte zudem einer schwelenden Protestbewegung der Boden entzogen werden. In der Tat fand der Tierschutzgedanke schon unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung Niederschlag in den ersten erlassenen NS-Gesetzen: Schon im April 1933 wurde das Schlachten warmblütiger Tiere ohne Betäubung verboten, kurze Zeit darauf wurde das Strafmaß für Tierquälerei erheblich verschärft. Noch im selben Jahr wurden Tierversuche erheblich beschränkt, die Nazis rühmten sich insofern der “besten Tierschutzgesetzgebung der Welt“. In Wirklichkeit aber war die NS-Novellierung der Weimarer Gesetze weniger von tierethischen Motiven getragen - die institutionalisierte Qualhaltung und Tötung von Tieren zu ökonomischen Zwecken blieb ebenso unberührt wie die von Göring besonders protegierte Jagd -, als vielmehr von der Absicht, damit ein Druck- und Sanktionsmittel gegen die jüdische Bevölkerung in die Hand zu bekommen: Das Verbot, Schlachttiere ohne Betäubung zu töten, stellte das jüdisch-orthodoxe Schächten unter Strafe. Das Quälen und Töten von Tieren zu vorgeblich wissenschaftlichen Zwecken wurde in großem Stile fortgesetzt, insbesondere da, wo es sich um kriegsvorbereitende Forschung handelte. Lediglich jüdischen Wissenschaftlern galt ein striktes Vivisektionsverbot.
Auch mit ihrer Förderung des Zoowesens suchten die Nazis sich als Tierfreunde darzustellen: ab 1933 wurden zahlreiche Zoos mit finanzieller und propagandistischer Unterstützung der Nazis neu eingerichtet. 1936 etwa wurde der Zoo Osnabrück eröffnet, im Jahr darauf der von Augsburg. Sämtliche deutschen Zooneugründungen der 1930er – Bochum, Hamm, Duisburg, Heidelberg, Rheine, Straubing oder Krefeld – wurden entweder von Nazi-Funktionären initiiert oder von ihnen nach Kräften unterstützt und vorangetrieben. 1935 erhielt der Zoo Berlin von Göring höchstpersönlich eine reich bemessene Geländeschenkung aus preußischem Staatsbesitz, die es ihm erlaubte, einen eigenständigen „Deutschen Zoo“ einzurichten. In künstlich geschaffenen Felsgehegen wurden Bären, Wölfe und andere „deutsche“ Tiere untergebracht, mithin Füchse, Wildkatzen und Luchse; dazu gab es ein Biber- und Fischotterbecken sowie Volieren für Auer- und Birkhühner. An den Gehegen wurden zur Verdeutlichung des Deutschtums der darin gezeigten Tiere eigens kleine Hakenkreuze angebracht. Auch der Zoo Dresden wurde auf Veranlassung Görings weitläufig ausgebaut, dem Zoo Neunkirchen schenkte er sogar einen seiner privat gehaltenen Löwen.
1939 wurde der Tiergarten Nürnberg neu eröffnet, dessen Bau die Nazis mit der damals ungeheueren Summe von 4,3 Millionen Reichsmark bezuschussten. Tatsächlich ging es den Nazis auch bei ihrer Zooförderung um alles andere als darum, eine tierfreundliche Gesinnung zu fördern (was mit Zoos ohnehin nicht möglich ist). Vielmehr ging es ihnen darum, dass die Tiergärten sich hervorragend als NS-Propagandainstrumente eigneten: sie dienten als Stätten „darstellender Biologie“, in denen zentrale ideologische Themen des NS-Staates wie Vererbungslehre oder Rassenkunde anschaulich gemacht werden konnten. Mit großem Aufwand wurden etwa Experimente zur „Rückzüchtung“ von Auerochsen und Wisenten veranstaltet, die als besonders deutsche Tiere galten. Damit, wie auch mit den Gehegeabteilungen der anderen „deutschen“ Tiere, konnte vaterländische Volksgesinnung gestärkt werden. Mit „exotischen Tieren konnte Propaganda für die Wiedergewinnung der ehemaligen deutschen Kolonien in West und Ostafrika gemacht werden. Die bis heute anhaltende Begeisterung hierzulande für die Einrichtung Zoo ist mithin auf die flächendeckende Zoo-Propaganda der Nazis zurückzuführen. Bis heute gibt es in Deutschland nicht weniger als 865 Zoos und zooähnlichen Einrichtungen, Deutschland ist damit das Land mit der größten Zoodichte weltweit.
Die Tierliebe der führenden Nazis war reiner Mythos, der mittels gezielter Propagandainszenierungen - über massenhafte Verbreitung von Kitschpostkarten etwa, die Hitler beim Füttern von Rehkitzen oder beim Tätscheln junger Hunde zeigten - künstlich erzeugt wurde. Tatsächlich war auch und insbesondere Hitlers besondere Tierliebe reiner Mythos, desgleichen sein angeblicher Vegetarismus oder Veganismus; ganz abgesehen davon, dass die immer wieder vorgetragene Argumentation gegen den Veganismus mit Hilfe prominenter Nazis, die vielleicht kein Fleisch gegessen haben, so absurd ist wie die Auflistung veganer Geistesgrößen und Philanthropen als Argument dafür. Tatsächlich war Hitler alles andere als Tierfreund oder Vegetarier, Veganer war er schon gar nicht.
Tatsache ist: Hitler hatte, wie die ganze Führungselite der Nazis, eine gewisse Affinität zu Hunden. Er hielt insofern eine Schäferhündin namens Blondi, die stets in seiner Nähe sein musste. Wie sein Biograph Ian Kershaw schreibt, beruhte Hitlers Beziehung zu Hunden allerdings auf dem gleichen Prinzip wie sein Kontakt zu Menschen: absolute Unterordnung unter seinen Willen beziehungsweise: unter seine Willkür. Blondi wurde von ihm auf unberechenbare Weise kujoniert und oft mit einer Peitsche geschlagen. Kurz vor seinem Selbstmord im April 1945 erprobte er an der Hündin, ob das Zyankali, das er und Eva Braun einzunehmen vorhatten, auch zuverlässig tödlich sei. Da Blondi einen relativ langen Todeskampf zu erleiden hatte, beschloss er Selbstmord durch Erschießen. Oft heißt es auch, Hitler sei seiner Tierliebe wegen strikter Vegetarier oder gar Veganer gewesen. Nichts aber liegt der historischen Wahrheit ferner. Während Hitler regelmäßig tierische Produkte wie Käse, Butter und Milch konsumierte, vermied er in der Tat Fleischgerichte. Offiziell wurde dies damit begründet, dass er seinen „nervösen Magen“ nicht zusätzlich belasten wolle. Tatsächlich aber glaubte er, mit dem Verzicht auf Fleisch die äußerst unangenehmen Körperausdünstungen reduzieren zu können, unter denen er seit seiner Kindheit litt. Insbesondere aber war er davon überzeugt, dass konsequenter Fleischverzicht ihn von seiner krankhaften Flatulenz kurieren könne - es entwichen ihm ständig geräuschvolle und höchst übelriechende Darmwinde -, die ihm, vor allem in Gegenwart von Frauen, außerordentlich peinlich war. Desungeachtet verzichtete er nie auf seine bayerisch-österreichischen Lieblingsspeisen: Leberknödel, gefüllte Wachteln und Kalbsbrühwürste; auch Kaviar vertilgte er in großen Mengen. Der angebliche Vegetarismus Hitlers war Teil einer von Joseph Goebbels bewusst in die Welt gesetzten Propaganda: der "Führer" als unermüdlich für sein Volk sich aufopfernder Asket, der weder rauchte noch trank, der kein Fleisch aß und keine Frauenaffären hatte. Dieses Mythenbild entrückte ihn gleichsam in höhere Sphären. Tatsache ist allenfalls, dass er aus Angst vor Lungenkrebs nicht rauchte und Rauchen in seiner Anwesenheit strikt verboten war. Ansonsten trank er regelmäßig und in größeren Mengen Alkohol, pappsüße Liköre vor allem. Auch hatte er, wenngleich in hochneurotischer Manier, Beziehungen zu verschiedenen Frauen. Das von ihm gezeichnete Bild war reine Fiktion: Vegetarier oder Veganer war er ebensowenig wie Tierfreund. Der für die Tierrechtsbewegung entscheidende Punkt aber ist: selbst wenn Hitler und mit ihm die komplette Führungsclique der Nazis tatsächlich engagierte Tierschützer, Tierversuchsgegner, Vegetarier, Veganer oder was auch immer gewesen wären, wäre ein isolierter Rekurs ebendarauf nicht zulässig, der zwangsläufig mit einer Relativierung des nationalsozialistischen Terrorregimes einhergehen müsste.
Ebenso verbietet sich jedes Bündnis mit Neonazis, die als Linienhalter ihrer geistigen Altvorderen beispielsweise ein gesetzliches Verbot des Schächtens fordern, was auch, allerdings von gänzlich anderer Warte her und eingebunden in einen emanzipatorischen Kontext, von Tierrechtlern gefordert wird. Um im Beispiel zu bleiben: gerade in der einsichtigen Notwendigkeit, sich von der antisemitsch oder prinzipiell fremdenfeindlich motivierten Forderung etwa der NPD oder ihrer Jugendorganisation nach einem Verbot des Schächtens abzugrenzen, wird die Absurdität deutlich der von Teilen der Tierrechtsbewegung erhobenen Forderung nach Zusammenarbeit mit jeder beliebigen Einzelperson und Gruppe, die, aus welcher Motivation immer, “Tierschutz“ oder “Tierrecht“ auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Der österreichische Tierrechtsphilosoph Helmut Kaplan sieht das anders: Er schreibt: „Mit Tierrechten verhält es sich wie mit Menschenrechten. Entscheidend ist nicht, wie Tierrechte individuell begründet werden, sondern dass sie politisch gefordert und praktisch durchgesetzt werden. Den Tieren ist es nämlich egal, welche philosophischen, politischen oder religiösen Überzeugungen ihre Fürsprecher haben“. Diese Position, ob Kaplan das nun anstrebt oder nicht, oder ob er es begreift oder nicht, öffnet die Tierrechtsbewegung grundsätzlich auch für eine Zusammenarbeit mit Neonazis. Tatsächlich aber ist gerade dann, wenn ein punktuell gleiches Ziel angestrebt wird - hier: ein Verbot des Schächtens -, konsequente Abgrenzung unabdingbar von Personen und Gruppen, deren dem Tierschutzgedanken übergeordnete Ideologie in Widerspruch steht zur Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Der Neonazi kann ebensowenig zum Bündnispartner für die Tierrechtsbewegung werden wie die Prophetin des Universellen Lebens, nur weil sie irgendwo eine Position zu vertreten vorgeben, die für sich gesehen auch von dieser vertreten wird.
Wenn es um Abgrenzungsnotwendigkeiten „gegen rechts“ geht, ist das besagte „Universelle Leben“ nicht weit. Meiner Erfahrung zufolge haben allerdings nur die wenigsten TierrechtlerInnen tiefergehende Ahnung, was es mit dieser Kultgemeinschaft auf sich hat, und weswegen man sich tunlichst von ihr abgrenzen sollte. Das UL ist eine international weitverbreitete Neuoffenbarungsgemeinschaft – vulgo: Sekte – an deren Spitze eine sogenannte „Prophetin“ steht: Gabriele Wittek, eine 1933 geborene und erzkatholisch geprägte Würzburger Hausfrau, die nach dem Tod ihrer Mutter 1970 Trost in einem spiritistischen Zirkel suchte und von nun an Stimmen aus einer „anderen Welt“ hörte. Diese Stimmen, vor allem der verstorbenen Mutter, aber auch eines Geistwesens namens „Bruder Emmanuel“ oder eines UFO-Kommandanten namens „Mairadi“, meldeten sich hinfort auf Anruf und taten sich zu einer solchen Fülle an Fragestellungen kund, dass Frau Wittek nach kurzer Zeit selbst spiritistische Sitzungen veranstalten konnte. Mitte der 1970er traten die bisherigen Stimmen etwas in den Hintergrund, seither, so Frau Wittek, teile Gott höchstpersönlich sich durch sie mit, wahlweise spreche auch „Jesus von Nazareth“ durch sie. Ab 1975 etablierten sich im Raum zwischen Würzburg und Nürnberg kleinere Gruppen von Wittek-Anhängern, sogenannte „Christuszellen“, die sich wöchentlich trafen, um die auf Tonband aufgezeichneten Verlautbarungen der „Prophetin“ zu hören. 1977 schlossen sie sich unter dem Namen „Heimholungswerk Jesu Christi“ (kurz HHW) zusammen, die Offenbarungen Witteks gab es ab diesem Zeitpunkt auch schriftlich. Die selbstgestellte Aufgabe des HHW lag darin, die „Wiederkunft Christi“ vorzubereiten. Zunehmend verstrickte das HHW sich in ausgesprochen aggressiv ausgetragene Auseinandersetzungen mit den etablierten Kirchen. Zu Beginn der 1980er wurde eine bis heute anhaltende Propagandaoffensive gestartet, die zu einer rasanten Ausbreitung der Bewegung im In- und Ausland führte. Heute verfügt die Gemeinschaft über ein weltweites Netz an Dependancen mit einer schwer zu schätzenden Zahl an Anhängern. Im deutschsprachigen Raum dürften es zwischen 10.000 und 40.000 sein, weltweit vielleicht 100.000. 1984 erfolgte eine angeblich von Jesus Christus höchstpersönlich geforderte Umbenennung des HHW in Universelles Leben (UL), und, einhergehend damit eine ebenfalls von Christus geforderte Ausrichtung auf wirtschaftliche Ziele. Es entstanden in der Region Würzburg zahlreiche sogenannte „Christusbetriebe“. Neben einer Vielzahl handwerklicher Kleinbetriebe wurden Kinderkrippen und Kindergärten gegründet, auch eine inzwischen staatlich genehmigte Grund- und Hauptschule. Seit 1986 gibt es eine eigene Klinik, daneben Arztpraxen, Seniorenheime, Sozialstationen; auch Agrarbetriebe mit angeschlossenen Vertriebsketten wie „Gut zum Leben“ oder „Lebe gesund!“, die mittlerweile ein erhebliches Segment des Öko- und Reformmarktes kontrollieren. Mit ihrer vegetarischen und seit 2001 auch veganen Produktpalette zählen sie bundesweit zu den Marktführern. Gesamtziel der vielfältigen Aktivitäten des UL war und ist die Vorbereitung auf ein kommendes „Friedensreich“, dem vorhergehend allerdings endzeitliche Katastrophen über die Menschheit hereinbrächen. Heil und Rettung liege allein in der Lehre des UL.
Wesentlicher Bestandteil dieser Lehre ist ein mit Vorstellungen von Reinkarnation und Karma verbundenes Analogiedenken – eigentlich ein hinduistisch-buddhistisches Konzept -, das jeden Zufall ausschließt. Im Mittelpunkt steht die Idee einer göttlichen „Buchhaltung“, in der alles menschliche Handeln minutiös aufgezeichnet wird, um es in einem späteren Leben zu entlohnen oder zu bestrafen. Nach diesem „Gesetz von Ursache und Wirkung“ werden Krankheiten, Unfälle und Naturkatastrophen ausnahmslos als Resultat früheren Fehlverhaltens der jeweils Betroffenen gesehen. Das UL offeriert insofern einen „göttlichen Pfad“ zum Ausstieg aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten. Nach Absolvierung zweier kostenpflichtiger Meditationskurse zur „Ausrichtung der Gehirnzellen auf Gott“ wird ein vierstufiger „Innerer Weg“ beschritten: 1. Bewältigung der Vergangenheit, 2. Überwindung des Eigenwillens, 3. Ablegen des Individuellen und 4. Ablegen des Intellekts. Nach der vierten Stufe sei man frei vom „Gesetz von Ursache und Wirkung“ und befugt, einen „siebenfachen mystischen Pfad“ zu beschreiten, der in die „ursprüngliche Einheit mit Gott“ zurückführe. Verzicht auf persönliche Bindungen und vor allem: auf privaten Besitz zugunsten des UL seien unabdingbare Voraussetzungen dieses Heilsweges. Ein gigantischer Verblödungs- und Ausbeutungskult, wie man geneigt ist zu sagen (was ich aber ausdrücklich nicht tue, da das UL als ausgesprochen klagefreudig gilt). Klinisch besehen zeigen Auftreten und Verlautbarungen der Frau Wittek, die sich wahlweise als „Posaune Gottes“, als „Hohes Geistwesen im Erdenkleid“ oder auch als „Stammmutter des Friedensreiches Jesu Christi“ bezeichnet, deutliche Symptome einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung. Über die Frage, was erwachsene Menschen an den eigentlich nur psychiatrisch interessanten Offenbarungen dieser Frau so attraktiv finden, dass sie ihnen letztgültige Autorität über sämtliche Belange ihres Lebens zumessen, kann nur spekuliert werden. Grundsätzlich halte ich es für das Grundrecht jedes Menschen, an jeden irrationalen Nonsens zu glauben, der einem gefällt, das ist reine Privatsache. Ob jemand an die Jungfrauengeburt glaubt oder daran, dass im Jenseits 72 Jungfrauen auf ihn warten, geht mich genausowenig an, wie der Glaube daran, dass Jesus Christus höchstpersönlich oder wahlweise ein UFO-Kommandant sich telepathisch durch eine Würzburger Hausfrau kundtun. Wenn aber die Gut- und Leichtgläubigkeit von Menschen ausgenutzt und ausbeutet wird, auch ihre Unaufgeklärtheit und Naivität oder der Umstand, dass sie sich in einer Lebenskrise befinden und daher schutzlos irgendwelchen Versprechungen ausgeliefert sind, dann geht mich das schon an. Zumal sämtliche dieser Glaubenssysteme auf systematischer Verdummung und Repression basieren.
Für die Tierrechtsszene von Belang ist, dass das UL seit gut zehn Jahren versucht, sich gezielt in Tierrechts- und Tierschutzzusammenhängen festzusetzen. Tatsächlich wurde Anfang des neuen Jahrtausends eine strategische Schwerpunktverschiebung vorgenommen. In der neu herausgebrachten Zeitschrift „Das Friedensreich“, die das apokalyptische Verlautbarungsorgan „Das weiße Pferd“ ablöste, dreht sich plötzlich ein Großteil der Beiträge um tierrechtliche oder tierschützerische Belange. Herausgegeben wurde die Zeitschrift von einer eigens gegründeten „Gabriele-Stiftung“, die dafür sorgen will, dass Tiere „ein Leben führen können, das freier Gottesgeschöpfe würdig ist“.
Passend dazu gab es eine Verlautbarung Gottes durch Frau Wittek, die von einer flächendeckenden Plakataktion in allen deutschen Städten begleitet war: „Ich, Gott der Allmächtige, erhebe meine Stimme. Hört auf, eure Mitgeschöpfe, die eure Tiergeschwister sind, zu verzehren!“ In der Originalverlautbarung Gottes geht es noch weiter, da spricht der Allmächtige: „ Sollten die Menschen Meine Worte abermals dem Wind übergeben, dann wird für sie der Sturm, das weltweite Schicksal, einsetzen und die Menschen zu Hunderttausenden hinwegraffen“. In der Folge dieser göttlichen Mahn- und Drohbotschaft wurde aus dem Umfeld des UL heraus eine Unmenge tierrechtsbezüglicher Publikationen erstellt, mit Kritik an Massentierhaltung, an Jagd und Fischerei, mit Fragen zu fleischloser Ernährung usw.
Über den UL-nahen Brennglas-Verlag erschienen Broschüren wie „Der Lusttöter“ oder „Der Tierleichenfresser“ und zahlreiche andere Medien; mit dem Quartalsheft „Freiheit für Tiere“ wurde ein eigenes auflagenstarkes Periodikum etabliert, in dem sämtliche Tierschutz- und Tierrechtsthemen aufgegriffen werden. Auch ein eigener Vorzeige-„Gnadenhof“ wurde eingerichtet.
Auf Betreiben UL-nahestehender Personen wurde eine „Initiative zur Abschaffung der Jagd“ ins Leben gerufen, die regelmäßige Straßendemonstrationen organisierte. Im September 2002 gelang es UL-nahestehenden Personen, sich werbewirksam auf einem der ersten TR-Kongresse des deutschsprachigen Raumes, in Wien in Szene zu setzen. Im führenden linken Tierrechtsmagazin „voice“ wurden großformatige Werbeanzeigen geschaltet, was die „voice“-Redaktion in nachgerade unfasslicher Naivität billigend mittrug. Überhaupt wurden die Anstalten des UL, sich tierschützerischer bzw. tierrechtlicher Belange zu bemächtigen und gezielt in die Szene einzudringen, zunächst nur von wenigen Tierrechtlern als Problem erkannt.
Eine spätere kritische Auseinandersetzung von „voice“ mit dem UL ab Herbst 2002 führte zu endlosen juristischen Grabenkämpfen und letztlich zum Ende des Magazins, zu dem mangelnde Solidarität und mangelndes politisches Bewusstsein innerhalb der Szene das ihre beitrugen. Die Tierrechtsgruppe MAQI erkannte als eine der ersten der Szene, worauf das UL abzielte: „Um Tierrechte geht es ihnen nicht, das liegt auf der Hand, vielmehr wollen sie die Tierrechtsbewegung instrumentalisieren, sie versuchen auf diese Weise, ihr Gedankengut zu verbreiten, zu missionieren. Tierrechtspositionen werden untergraben, indem ethische Argumentation durch abergläubischen Firlefanz substituiert wird“.) Und selbstredend ging und geht es mit all den Tierschutz- und Tierrechtspublikationen um das Anfüttern neuer Anhänger. Aufgerüttelt durch die massive Kritik, die das Magazin „voice“ in der Herbstausgabe 2002 gegen das UL vortrug, formierte sich in Teilen der Szene erster Widerstand gegen die Versuche der Glaubensgemeinschaft, sich mit Tierschutz- und Tierrechtsthemen zu profilieren und damit an die Tierrechtsbewegung anzudocken. Im Wesentlichen wurde die Kritik und die daraus hergeleitete Abgrenzungsnotwendigkeit festgemacht an den rechtsesoterischen Positionen karmischer Schuldzuweisung sowie an den antisemitischen Positionen, die sich in den Verlautbarungen des UL finden lassen. So wurden etwa in einer Sonderausgabe der UL-Zeitschrift „Christusstaat“ abstruse Verschwörungstheorien ausgebreitet, wie sie in der Esoterikszene weitläufig kursieren: über die „Weltherrschaft der Illuminaten“, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und das „Weltjudentum“ an sich. Der seinerzeitige Chefredakteur des „Christusstaat“ und heutige Herausgeber von „Freiheit für Tiere“, ein gewisser German Murer, entschuldigte sich später für diese Entgleisungen, weitere antisemitische Ausfälle gab es meines Wissens nicht. Die der vom UL nach wie vor vertretenen Karmalehre implizite und .in der Esoterikszene weitverbreitete Vorstellung, die in der Shoah des sogenannten Dritten Reiches ermordeten Juden hätten nur einen Ausgleich selbstbewirkter Schuld erfahren, wirkt indes fort, auch wenn das UL das nicht dezidiert so formuliert und auch nicht per se als antisemitisch gewertet werden kann.
Anstatt sich gegen die offenkundigen Instrumentalisierungsversuche des UL abzugrenzen, ergehen sich nicht unerhebliche Teile der Tierrechtsbewegung bis heute in einfältigster „Hauptsache-für-die-Tiere”-Semantik und eröffnen damit nolens-volens eine grundsätzliche Zusammenarbeit auch mit Neonazis: Als „useful idiots“ der Neurechten erwiesen und erweisen sich insofern wortführende Figuren der Tierrechtsszene wie Barbara Rütting, Stefan Bernhard Eck, Martin Balluch oder besagter Helmut Kaplan mit ihrer indifferent-kritiklosen oder auch offen-affirmativen Haltung dem UL gegenüber. Vor allem Helmut Kaplan tat sich insofern besonders hervor, er bescheinigte dem UL, „exzellente Aufklärungsarbeit“ zu leisten. Den Vorwurf versuchter Instrumentalisierung der Tierrechtsszene erklärt er für absurd, für verrückt gar den Verdacht, es könnten missionarische, finanzielle oder machtpolitische Gründe dahinterstecken. Kritik am UL weist er mit Nachdruck zurück: „Die einzig vernünftige Frage, die Tierrechtler an andere Tierrechtler stellen können, lautet: Leisten die gute Tierrechtsarbeit? Wem eine andere Frage wichtiger ist, beweist, daß es ihm eben NICHT primär um Tierrechte geht! Und genau das zeigen die UL-Gegner ja auch (…) Pech für die Tiere: Sie kommen in der autistischen Vegan-Wahn-Welt nur als virtuelle Heiligenschein-Lieferanten für selbstverliebte Spinner vor.“ Ich dagegen meine: Wer als Tierrechtler gemeinsame Sache mit dem UL bzw. mit Personen aus dem Dunstkreis dieser als totalitär und hochaggressiv einzustufenden Psychosekte macht, hat kein Argument mehr zur Hand, weshalb er das nicht auch gemeinsam mit Neonazis machen könnte und sollte. Es reicht, wenn diese sich irgendein Tierschutzetikett anheften - Schächtgegner, Vivisektionsgegner etc. -, um prinzipiell zu Aktions- und Bündnispartnern werden zu können. Kontext und Zielrichtung treten dabei zwangsläufig in den Hintergrund.
Zu den Organisationen, die über ihre Distanzlosigkeit dem UL gegenüber die Tierrechtsbewegung weit nach rechtsaußen öffneten und öffnen, zählen namentlich der „Arbeitskreis Tierrechte&Ethik“ (AKTE), der „Politische Arbeitskreis für Tierrechte in Europa” (PAKT), die „Aktion Kirche und Tiere” (AKUT) oder die Partei „Mensch Umwelt Tierschutz”, die sich, zusammen mit weiteren UL-apologetischen Gruppen und Einzelpersonen sowie namhaften Figuren aus dem Dunstkreis des UL selbst im August 2006 zu einer zweitägigen Konferenz in Oberursel einfanden, um eine „Allianz für Tierrechte“ zu schmieden. Hinzugekommen sind später: „Animal Spirit”, „Arbeitskreis für humanen Tierschutz” bzw. das daraus hervorgegangene „Deutsche Tierschutzbüro”, „PeTA Deutschland”, *„Schüler für Tiere”, „Stimmen der Tiere”, „Tierschutz-Notruf”, „Unabhängige Tierschutz-Union Deutschlands” und zahlreiche andere; dazu besagte „Initiative zur Abschaffung der Jagd” sowie der UL-nahe Brennglas-Verlag.
Die Unterwanderung der Tierrechtsszene durch das UL bzw. die kritiklose Indifferenz weiter Teile der Tierrechtsbewegung dem UL gegenüber hat der TR-Bewegung enormen Schaden zugefügt; von der aktiven Anbiederung nicht weniger Tierrechtler an das UL ganz zu schweigen. Sie hat die ohnehin schon bestehenden Vorurteile, die Tierrechts- bzw. Veganszene trage religionsfanatische, sektoide, rechtsesoterische oder sonstwie nicht ernstzunehmende oder abzulehnende Züge, bestärkt und befördert. Es formierte sich allerdings auch Widerstand. In einem gemeinsamen Kommuniqué stellten sich knapp zwei Dutzend Tierrechtsorganisationen offensiv gegen das UL, etwa die „Offensive gegen die Pelzindustrie“, die „Tierrechtsaktion Nord“, oder die „Tierversuchsgegner München“: Die hierarchisch und autoritär organisierte Glaubensgemeinschaft, wie es in dem Kommunique hieß, zeige im Umgang mit Mensch und Tier eine antiemanzipatorische, antiaufklärerische Sekte, die das Thema Tierrechte nutzt, um mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu erlangen und ihre Ideologie zu verbreiten. Logische Konsequenz daraus: „Eine Tierrechts bzw. Tierbefreiungsbewegung, die es ernst meint mit einer herrschaftsfreien Gesellschaft, kann solch eine Organisation an ihrer Seite nicht dulden. Mit dem UL sowie UL nahestehenden Personen und Organisationen darf es keinerlei Zusammenarbeit geben.“ Viele der angeschriebenen Tierrechtsorganisationen unterzeichneten das Kommuniqué ausdrücklich nicht. Sie fanden sich stattdessen in besagter „Allianz“ zusammen, die mit ihrem UL-apologetischen Argument „Hauptsache für die Tiere” Neonazis nachgerade einlud und einlädt, sich an die Tierrechtsbewegung anzuhängen.
Zum ersten Mal traten die „Nazis für Tierrechte“ im Frühsommer 2006 in Erscheinung. Sie beteiligten sich in Dresden an einem Aktionstag gegen die Pelzindustrie. Vor der örtlichen Filiale von „Peek&Cloppenburg“ verteilten sie Flugblätter von „PeTA“, deren Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller“ vorzügliche Möglichkeiten der Anknüpfung geboten hatte (Neonazis distanzieren sich - nach außen hin - von der Shoa). Während der überwiegende Teil der Anti-Pelz-Aktivisten sich klar abgrenzte, gab es auch Stimmen, die die Anwesenheit der Neonazis durchaus für hinnehmbar hielten: „Hauptsache für die Tiere“. Im März 2007 tauchte in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg ein polizeibekannter Neonazi-Trupp vor einem Wanderzirkus auf, verteilte Anti-Zirkus-Flugblätter und brach eine Schlägerei vom Zaun. Es handelte sich dabei um Angehörige der so genannten „Nationalen Sozialisten - AG Tierrecht”, die laut ihrer kurz zuvor online gegangenen Webseite „Stimme und Fäuste gegen die grausame Ausbeutung der Tierwelt“ erheben wollten.
Auf der website war auch eine Abbildung aus dem Machwerk „Der Giftpilz” zu sehen, einem 1938 erschienenen „Kinderbuch” von Ernst Hiemer, der als Hauptschriftleiter des Nazi-Hetzblattes „Der Stürmer” tätig gewesen war. Die Abbildung zeigt eine Gruppe verschlagen dargestellter Männer, die eine Kuh mit in Todesangst aufgerissenen Augen schlachten. Überall ist Blut zu sehen. Das Kapitel in dem Buch heißt „Wie die Juden Tiere quälen“, der dazugehörige Text lautet: „Wieder stürzt das Tier zu Boden. Langsam stirbt es. Die Juden aber stehen herum und lachen dazu.“ (Auch in dem berüchtigten NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ von 1940 kam eine Szene mit Juden vor, die lachend ein Rind schächteten.) Nach der Aufnahme von Ermittlungen gegen die Nazi-„AG Tierrechte“ durch das Stuttgarter Landeskriminalamt verschwand die Abbildung sehr schnell von der website.
Die Versuche der „neuen Rechten“, in der Tierrechtsbewegung mitzumischen, verfolgen eine klar erkennbare Strategie: Die vermeintlich emanzipativen Inhalte sind nur vorgeschoben, tatsächlich geht es darum, jugendkulturkompatibel zu sein und mit gesellschaftskritischem Anstrich neue Anhänger zu gewinnen. Der niederbayerische “Wikinger-Versand” beispielsweise führt in seinem Sortiment an Nazi-Zubehör auch Ansteckbuttons: neben solchen mit Rudolf Hess oder mit dem Aufdruck „88” (=„Heil Hitler”) gibt es auch solche mit „Döner ist Scheiße”, „100% unkoscher” oder „Schächten ist Tierquälerei“.
Im Zuge der sogenannten „Querfront-Strategie“ werden Symbole der Antispe-Bewegung in leicht abgewandelter Form dem eigenen Sortiment eingepasst. Ein Unterschied ist oft kaum mehr auszumachen. Nur bei genauem Hinsehen erkennt man, dass die Umschrift auf dem Nazi-Emblem lautet: NATIONALE UND SOZIALISTISCHE AKTION.
Auf der Neonazi-website nw-marl.info etwa findet sich ein Plakat, das bei oberflächlicher Betrachtung ebensogut der Tierschutz- bzw. Tierrechtsszene zuzuordnen sein könnte.
Und auf der website von NSANTISPE-ANTISPEZIESISTEN IM NATIONALEN WIDERSTAND gibt es Sprühvorlagen zum Herunterladen, die denen der Tierrechtsszene völlig identisch sind (und die sich insofern hervorragend dazu eignen, illegale Aktionen bei Bedarf den Tierrechtlern in die Schuhe zu schieben.)
Wichtigstes Thema der „Nazis für Tierrechte“ ist das von orthodoxen Juden und Muslimen praktizierte betäubungslose Schächten. Das NPD-Organ „Deutsche Stimme“ meinte insofern schon vor Jahren, vor den „Wucherungen fremdkultureller Versatzstücke” und insofern drohendem „Kulturverlust“ warnen zu müssen. Längst hat auch das rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ das Thema „Tierschutz“ für sich vereinnahmt. Und selbst die „National-Zeitung“ der DVU entdeckte ihre „Barmherzigkeit“ dem Tier gegenüber. So veröffentliche sie etwa ein großaufgemachtes Interview mit Francoise Hugo, einem weithin bekannten südafrikanischen Tierschützer, der mit seiner Organisation „Seal Alert“ gegen das alljährliche Abschlachten zehntausender von Jungrobben in Namibia kämpft. Das Interview ist in ausgesprochen emotionalisierender Sprache verfasst: Frage: „Durch welche Grausamkeiten zeichnet sich die Robbenjagd aus?“ Antwort: „Die Tiere werden mit Keulen auf den Kopf geschlagen und außerdem ins Herz gestochen. Während dieser Aktion erbrechen die Jungrobben die Muttermilch“. Dazu ein Photo mit Einheimischen, die brutal auf Robben einknüppeln.
Auf die Nachfrage, wieso er solchem Blatt ein Interview gebe, antwortete Hugo, „Seal Alert“ sei eben eine Tierrechts- und keine politische Organisation. Ihm gehe es darum, „die deutschen Touristen zu erreichen, die nach Namibia reisen und damit indirekt das Seehundschlachten unterstützen.“ Die „National-Zeitung“ habe ihm dabei geholfen: „Das ist alles, was mich interessiert.“ Längst hat auch die NPD Tierschutz- und Tierrechtsthemen - Tierquälerei, Schächten, Sodomie etc. - offensiv in ihr Wahlprogramm aufgenommen und geht damit auf Stimmenfang.
Gerade in der einsichtigen Notwendigkeit, sich von der antisemitsch oder prinzipiell fremdenfeindlich motivierten Forderung von DVU, NPD oder der so genannten „Nationalen Sozialisten“ nach einem Verbot des Schächtens abzugrenzen, wird die Absurdität deutlich der von Teilen der Tierrechtsbewegung erhobenen Forderung nach Zusammenarbeit mit jeder beliebigen Einzelperson und Gruppe, die, aus welcher Motivation immer, „Tierschutz“ oder „Tierrecht“ auf ihre Fahnen geschrieben haben. Tatsächlich ist gerade dann, wenn ein punktuell gleiches Ziel angestrebt wird - hier: ein Verbot des Schächtens -, konsequente Abgrenzung unabdingbar von Personen und Gruppen, deren dem Tierschutzgedanken übergeordnete Ideologie in Widerspruch steht zur Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Der Neonazi kann ebenso wenig zum Bündnispartner für die Tierrechtsbewegung werden wie der Papst oder die Prophetin des „Universellen Lebens“, nur weil sie irgendwo eine Position zu vertreten vorgeben, die für sich gesehen auch von dieser vertreten wird.
Nocheinmal zu Helmut Kaplan, der sich zu Zeiten, ab Ende der 1980er, durchaus Verdienste erworben hat für die damals noch junge Tierrechtsbewegung. Seine ersten Bücher, „Philosophie des Vegetarismus“ von 1988 und vor allem „Leichenschmaus“ von 1993, waren wichtige Bausteine. Kaplan war als Berater in verschiedenen Spendensammelorganisationen der Tierrechtsszene tätig, u.a. für „Animal Peace“, „PeTA“ und für den berüchtigten Drückerkolonnenverein "Arche2000" (dessen Vorsitzender Eppy Geers seine Mitglieder um 9,2 Mio Euro betrog und letztlich zu 6 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt wurde). Kaplan zählt nicht nur zu den vehementesten Verfechtern des "Universellen Leben", ebenso wie seine Freunde Stefan Bernhard Eck und Martin Balluch vom österreichischen "Verein gegen Tierfabriken" (vgt), vielmehr scheut Kaplan, im Gegensatz zu Eck und Balluch, auch nicht die unmittelbare Zusammenarbeit mit Neonazis. Er zeigt dabei eine Unbelehrbarkeit, die ihresgleichen sucht.
Im Jahre 2010 gab er dem szenebekannten Neonazi Martin Auler, zu Zeiten Vorstandsmitglied der NPD Rheinland-Pfalz, ein Interview für die Neonazi-Zeitschrift „Der Fahnenträger“, herausgegeben von einem „Arbeitskreis Sozialrevolutionäre Nationalisten“. Kaplan rechtfertigte in dem Interview mit Auler u.a. den immer wieder, auch von ihm selbst, gebrauchten Holocaust-Vergleich. Das Interview stand unter der Überschrift: „Holocaust-Vergleich wird immer wichtiger“.
Nachdem die Printausgabe des „Fahnenträger“ vor Erscheinen des Kaplan-Interviews eingestellt wurde, erschien das Interview nur online auf fahnenträger.com. Niemand hätte wohl groß davon Kenntnis genommen – mir selbst war bis dahin der „Fahnenträger“ völlig unbekannt gewesen -, hätte nicht das Tierschutznachrichtenportal „Fellbeisser“ das komplette Interview samt link zum Fahnenträger auf seine Seite gestellt. Auf die Nachfrage, weshalb der „Fellbeisser“ ein Interview aus einem Nazimagazin samt link dorthin veröffentliche, was die Verbreitungsstrategie der Nazis unterstütze – und ob nicht wenigstens der link entfernt werden könne -, ließ Fellbeisser-Herausgeber Volker Wöhl Kaplan eine Antwort formulieren, der das Ganze natürlich wortreich rechtfertigte. Wöhl selbst schrieb, es sei relativ bedeutungslos, wer Kaplans Tierrechtsbeiträge veröffentlichen würde. Wichtig sei allein, dass seine Beiträge einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht würden, und zwar von wem und wo auch immer. Konsequenterweise ist das Interview bis heute auf fellbeisser.net zu lesen, einschließlich des links zum „Fahnenträger“ (der allerdings inzwischen tot ist). Kaplan schrieb darüberhinaus: „Was wäre falsch daran, wenn jemand durch dieses Interview Veganer oder Tierrechtler oder Vegetarier würde?“ und „Ist es nicht vielleicht besonders begrüßenswert, wenn sich ‚problematische’ Gruppierungen mit vernünftigen, rationalen, ethischen Ideen befassen?“ Als erster Nutzen ergäbe sich: Neonazis könnten auf diese Weise vielleicht Vegetarier oder Veganer. werden. Als zweiter Nutzen: die Neonazis könnten so vielleicht die Kurve zum Ethischen kriegen. Wenn das so wäre, wie Kaplan meint, könnten wir ja auch Nazis zum gemeinsamen Brunch und Gespräch einladen.
Kurze Zeit später wurde das Kaplan-Interview von einem anderen Printmedium der Neonazi-Szene übernommen, nämlich von einer Zeitschrift mit dem unverdächtigen Titel „Umwelt&Aktiv“. Kaplan, der in der Einleitung als „wohl bekanntester Vordenker und Verfechter der Tierrechtsethik im deutschsprachigen Raum“ hofiert wurde, kam sogar aufs Cover. Man muß sich das vorstellen: einer der wortführenden Tierrechtler auf dem Cover eines Magazins, das laut bayerischem Verfassungsschutz als „NPD-Tarnzeitschrift“ gesehen werden muß. Schon die erste Ausgabe des Magazins von 2007 enthielt wortwörtliche Passagen aus dem Parteiprogramm der NPD. Das Gros der Autoren pflegt engen Kontakt zur NPD oder gehört der NPD an. Herausgegeben wird „Umwelt&Aktiv“ von einem sogenannten Midgard e.V., in dessen Vorstand wiederum jede Menge NPD-Funktionäre sitzen. Auf der Link-Seite der online-Ausgabe von „Umwelt&Aktiv“ finden sich bezeichnenderweise Verweise auf fellbeisser.net, auf „PeTA“, aber auch – selbstredend unautorisiert – auf „tier-im-focus“ oder zur „Albert-Schweitzer-Stiftung“. Und auch hier wurde in unverantwortbarster Weise von fellbeisser.net auf das Interview Kaplans in der Nazizeitung „Umwelt&Aktiv“ aufmerksam gemacht, die ansonsten vielleicht niemand außerhalb der Nazi-Szene zur Kenntnis genommen hätte.
Kaplan selbst wurde massiv kritisiert, nicht zuletzt im Mai 2011 auf dem „Event für Tierrechte“ in Köln, dachte aber in kaum glaubhafter Betonschädeligkeit überhaupt nicht daran, auf Distanz zu dem Interview zu gehen, das er – um es zu wiederholen - einem Nazi-Funktionär gegeben hatte und das in zwei Nazi-Zeitungen veröffentlicht worden war. Ganz im Gegenteil: Bis heute ist das Interview auf seiner eigenen website zu finden, versehen mit link zu „Fahnenträger“ und Hinweis auf „Umwelt&Aktiv“. Den „Fahnenträger“ oder „Umwelt&Aktiv“ wie er schreibt, „prinzipiell und plump unter ‚rechtsextrem' einzuordnen, zeugt von Fanatismus und Realitätsverweigerung. Das ist die gleiche blödsinnige Hetze wie die gegen das UL.“ Er änderte seine Meinung auch nicht, nachdem im Zuge des NSU-Prozesses und laut Anklageschrift des Generalbundesanwalts bekannt wurde, dass „Der Fahnenträger“ mit Geld aus Banküberfällen des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ mitfinanziert worden sein soll.
Auch das Mitgliedermagazin der „Jungen Nationaldemokraten“ (Jugendorganisation der NPD) weiß derlei offene Einladung, sich an die TR-Szene anzudocken, wohl umzusetzen: 2013 fand sich dort folgender Text: „Sicher haben einige bemerkt, dass die Tendenz bei vielen immer mehr in Richtung Vegetarismus und veganer Lebensweise geht, doch muss man bei weitem kein Vegetarier oder Veganer sein, um sich für Tierschutz einzusetzen. (...) Heute müssen wir leider feststellen, dass Tierschutz von staatlicher Seite kaum bis gar nicht mehr gefördert wird. Als Beispiel sei die Schächtung genannt, bei der den Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle durchtrennt wird. Das Tier blutet unter unvorstellbaren Qualen aus und der Todeskampf zieht sich in der Regel über Minuten.“
Kaplan ist selbstredend kein Nazi – ebensowenig Rütting, Balluch oder Eck -, gleichwohl öffnen sie mit ihrer unreflektierten „Hauptsache-für-die-Tiere“-Rhetorik nicht nur der rechtslastigen Kultgemeinschaft UL Tür und Tor, sondern eben auch den Nazis, gegen wenigstens die sich abzugrenzen Kaplan&Co nicht nur kein Argument mehr zur Hand haben, sondern die sie noch nicht einmal als Problem erkennen: Sobald Nazis etwas gegen das Schächten sagen, werden sie zu potentiellen Mitstreitern für die Tierrechtssache, egal, was die Motivation für ihr Schächtgegnerschaft ist, und egal, was sie sonst sagen und tun.
Dass es neben Kaplan andere wortführende Figuren der Szene gibt, die tatsächlich eine Schlagseite hinein ins tiefbraune Milieu zu haben scheinen, soll nicht unerwähnt bleiben: die Rede ist von Figuren wie Harald von Fehr, Begründer und Vorsitzender der sogenannten „Unabhängigen Tierschutz-Union Deutschlands” und zugleich Landesvorsitzender der Tierschutzpartei in Thüringen, die in einigen Kommunalparlamenten vertreten ist und mit Stefan Bernhard Eck seit 2014 einen Abgeordneten im EU-Parlament sitzen hat.
Kurz vor Ostern 2013 verschickte von Fehr einen „Ostergruß“ an seine politischen und sonstigen Freunde. Der Gruß zeigte drei Fotos einer Wildschweinhorde, die eine Straße entlangläuft. Dazu folgender Begleittext:
Irgendwo in Europa:
am Sonntagmorgen ein Ausflug der ganzen Familie.
Es ist schön zu sehen wie die Alten ihre Jungen beschützen.
Was mir auffällt?
sie benützen den Fussgängerstreifen um über die Straße zu gehen !
sie benützen das Trottoir !
sie tragen keine Kopftücher!
sie benützen kein geklaute Fahrräder/Roller oder BMWs!
sie halten Disziplin!
sie tragen keine Messer!
sie gehen nicht in fremde Häuser!
sie spucken nicht auf den Boden!
und sie machen keine fremden Frauen an!!!
aber das schlimmste ist&
auf die darf geschossen werden !!!
Katharina König, Abgeordnete für die Fraktion „Die Linke“ im Thüringischen Landtag, übergab die Sache der zuständigen Staatsanwaltschaft. Sie schrieb: „Diese perfide Grundhaltung mit rassistischen Klischees offenbart deutlich, wie unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Tierliebe und der Interessen des Tierschutzes Fremdenfeindlichkeit geschürt werden soll. Da durch die Anspielungen offenkundig zur Diskriminierung von Menschen einer bestimmten ethischen oder religiösen Herkunft aufgestachelt werden soll und bestimmte Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig mit verächtlichen Äußerungen überzogen und verleumdet werden, habe ich die Staatsanwaltschaft Gera um Prüfung der Strafbarkeit nach Paragraph 130 gebeten.” Angeblich wurde vom zuständigen Amtsgericht eine Geldstrafe gegen von Fehr verhängt, gegen die er Einspruch eingelegt haben soll. Näheres, wie die Sache ausging, ist nicht bekannt. Seitens der Tierschutzpartei wurde wegen parteischädigenden Verhaltens ein Schiedsgerichtsverfahren gegen von Fehr eingeleitet zu einer auf eineinhalb Jahre befristeten Aberkennung der Rechte auf Bekleidung von Parteiämtern sowie aller Mitgliedsrechte. Von Fehr selbst sah und sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne, Einsicht, dass er irgendwas falsch gemacht haben könnte, ist nicht zu erkennen. Vielmehr überzog er - auf Briefbogen der Tierschutzpartei - die Linken-Politikerin König mit einer Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung, Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung gegen eine Person des politischen Lebens, samt Antrag auf Aufhebung ihrer Immunität als Parlamentarierin. Meines Wissens ist da nichts draus geworden, aber jetzt kommt‘s: Das Schiedsgerichtsverfahren der Tierschutzpartei auf Aberkennung der Mitgliedsrechte gegen von Fehr wurde sang- und klanglos eingestellt. Innerparteilich also gab es ersichtlich keinerlei Konsequenz für ihn.
Von Fehr war im Übrigen schon in der Vergangenheit in Zusammenhang mit der rechten Szene auffällig geworden. So schrieb er etwa unter dem Signet seiner „Unabhängigen Tierschutz-Union Deutschland“ in der Neonazi-Zeitschrift „Der Rennsteigbote“ einen Artikel gegen das Schächten. In bezeichnender Diktion heißt es da: „Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil (3C 30.05) vom 23. November 2006 das Schächten (...) in Deutschland erlaubt. Nur durch ein geimpftes, jahrzehntelang dressiertes „Political –Correctness - Verhalten konnte dieses Schandurteil zustande kommen (...). Mit der mächtigen Lobby einer anderen Religionsgemeinschaft ideologisch im Rücken – die in Deutschland aufgrund der geschichtlichen Vergangenheit schlicht Narrenfreiheit reklamiert und auch genießt – wurde muslimisches Schächtbegehren wie in einem Trojanischen Pferd durch alle juristischen Fährwasser gelotst. Nur in derart verseuchten Richterhirnen, mit einem Korpus ohne Rückrat und Herz, dem Multi-Kulti-Wahn verfallen, vermag so grauenhafte, archaisch – anachronistische, nach Deutschland eingeschleppte Tierquälerei wie betäubungsloses Tierabmetzeln zur „Religionsausübung“ mutieren.“ [sic!] Mitgezeichnet wurde der Artikel von Ulrich Dittmann, seinerzeit Vorsitzender des „Arbeitskreises für humanen Tierschutz”, der, wie auch von Fehrs „Tierschutz-Union“ der UL-apologetischen „Allianz für Tierrechte“ zugehörte (ob er heute noch dazugehört, ist nicht bekannt). Über meine vor Jahren schon vorgetragene Kritik am braunen Rand der Tierrechtsbewegung schrieb Dittmann (neben Ausfällen gegen mich persönlich): „Keinesfalls dürfen wir uns durch wichtigtuerische selbsternannte „Tierrechtler“, die außer geistiger Umweltverschmutzung und Profilierungsneurosen nichts aufzuweisen haben, kostbare Zeit stehlen lassen die wir für ernsthafte Tierschutzarbeit so dringend benötigen.“ Keineswegs, so Dittmann in grotesker Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse, sei die Szene von rechts unterwandert, vielmehr werde sie von linken Ideologen für die eigenen politischen Interessen missbraucht
Der „Rennsteigbote“, in dem von Fehr und Dittmann publizierten, wird, für jedermann erkennbar, von der Thüringer NPD bzw. dem NPD-Kreisverband Gotha herausgegeben. Für von Fehr gab es auch insofern keinerlei erkennbare Konsequenz seitens der Tierschutzpartei.
Zusammenfassend ist zu sagen: Ernstzunehmender Einsatz für die Befreiung der Tiere ist immer auch Einsatz für eine herrschaftsfreie Gesellschaft. Psychokulte, Sekten, Religionsgemeinschaften jedweder Art, einschließlich der etablierten Kirchen, haben mit der Utopie der Befreiung von Mensch und Tier nichts zu schaffen; so wenig wie Nazis und Neo-Nazis und ihre beabsichtigten oder auch unbeabsichtigten Helfershelfer. Es kann insofern keinen Schulterschluss geben mit Personen, Gruppierungen oder Institutionen, deren Tierschutz- oder Tierrechtsengagement einer tatsächlich tier-, menschen- und lebensfeindlichen Ideologie vorangestellt ist. Egal ob unter dem Kreuz, dem Hakenkreuz oder unter sonst einem der zahllosen Embleme von Unterdrückung, Ausbeutung oder Herrschaft.
36-seitige A5-Broschüre zum Thema
Herausgeber: Menschen für Tierrechte
Tierversuchsgegner Saar e. V.
* Als Aktualisierung des Ihnen/Euch hier in Schriftform vorliegenden Referates von Colin Goldner übernehmen wir wortwörtlich einen Passus von dessen
Projektseite zur allgem. Information:
"Der 'Schüler für Tiere e. V.' distanziert sich in aller Form von der Neuoffenbarungsgemeinschaft 'Universelles Leben'. Das ist löblich.
Die zu Zeiten zu beobachtende und seinerseits auch entsprechend kritisierte Distanzlosigkeit des Vereins (bzw. des seinerzeitigen Vorstandes) dem UL gegenüber - es geht um die aktive Teilnahme an der aus dem Umfeld des UL organisierten Konferenz zur Formierung einer 'Allianz für Tierrechte' im Jahre 2006 - ist damit aufgehoben.
Nach wie vor indes erscheint die Behauptung des 'Schüler für Tiere e. V.', es 'bestand zu keinem Zeitpunkt eine wie auch immer geartete Kooperation oder Kommunikation mit dem UL', reichlich grotesk."