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Tierethik - Der Comic zur Debatte

Einen ganz herzlichen Dank an das Veganbrunchteam Saarlouis für die großzügige Spende von 250,oo € für unseren Lebenshof!

Paula ist wieder da!

Paula, die kleine Großstadttaube

der beliebte Comic "zum Nachdenken" für groß und klein (in 4 Farben)

Skript zum Vortrag

 

„Geschlechterbedingte Ungleichheit und der Versuch, fair miteinander umzugehen“

 

der am 13.03.2016 beim Veganbrunch Saarbrücken gehalten wurde

Hunde wohnungsloser Menschen

wenn der Hund der einzig verlässliche Partner ist

 

Total Liberation Interview 3

– TVG Saar e.V.


Unterstützung und Solidarität für die mutigen Besetzer*innen des Hambacher Forsts

03. Mai 2015 Hambacher Forst
03. Mai 2015 Hambacher Forst

Provokation und übelster "roll back" im saarl. "Tierschutz"

Protestaufruf vor Zoo Neunkirchen 18. Juni 2015

 

nazis und Tierrechte

Transkript des Referats von Colin Goldner
Transkript des Referats von Colin Goldner
Nazis und Tierrechte Broschüre.pdf
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36-seitige Broschüre zum Referat
36-seitige Broschüre zum Referat

 

Buchtipp:

Deutsche Erstausgabe 2014
Deutsche Erstausgabe 2014

in eigener Sache

 

Strafanzeige durch "Tierschützer"

 

Sämtliche Vorwürfe gegen Tierversuchsgegner waren frei erfunden

 

 

 

 

Flyer

 

Renate Bruker, Vortrag „Vorläufer der Tierrechtsidee- eine historische Spurensuche“, 5.4.2003

 

Tierschutz und Tierrechtsbewegung werden häufig als typische Produkte der Moderne, der Überflussgesellschaft oder auch der Dekadenz gesehen, andererseits auch mit antimodernen Strömungen in Zusammenhang gebracht. Vielfach wird der Beginn der Tierrechtsbewegung auf die Rezeption der Schriften von Peter Singer oder Tom Regan zurückgeführt, während andere Autoren schon auf Henry Salt (1892) zurückgehen. Allerdings kann man noch sehr viel ältere Ursprünge oder Vorläufer der Tierrechtsidee ausmachen, die allerdings kaum bekannt sind und hier z.T. erstmals vorgestellt werden sollen.
Tierrechte in unserem Zusammenhang sind nicht identisch mit dem positiven Recht, also mit dem Tierschutzgesetz. Die Tierrechtsidee geht davon aus, dass Tieren als solchen Rechte zukommen, insbesondere das Recht auf Leben und Verschonung von Gewalt. Diese Auffassung hat sich allerdings erst langsam historisch entwickelt, ebenso wie die Menschenrechte. Dabei war das Recht auf Verschonung von Grausamkeit eher akzeptiert als das Recht auf Leben. Einzelne Stimmen der moralphilosophischen Diskussion forderten dieses zwar schon in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, einige Gruppen und Vereine taten dies ungefähr seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, von einer Bewegung kann man hier tatsächlich erst im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts sprechen.
Neben der Diskussion, wie weit Tierrechte gehen müssen oder dürfen, gibt es eine grundsätzliche, nämlich, ob Tieren überhaupt Rechte zukommen. Im Anschluss an Kant wird dies heute noch häufig bestritten, seine Position hatte fast einen axiomatischen Status erlangt. Dies ist um so erstaunlicher, als seine Ablehnung nur Teil einer Jahrhunderte währenden Auseinandersetzung ist. Demgegenüber möchte ich auf einige widersprechende Stimmen in der Rechtsgeschichte hinweisen, die die Existenz von Tierrechten bejaht haben sowie auf die gesellschaftlichen und historischen Bedingungen, die in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts den Diskurs über Tierrechte mitbestimmt haben.
Sodann werde ich auf die Beziehungen eingehen, die die Tierrechtsidee zu anderen gesellschaftlichen Reformbewegungen hat, insbesondere zur Justizreform, zur Frauenbewegung und zur Friedensbewegung, und dabei drei bisher nur wenig oder gar nicht bekannte Persönlichkeiten vorstellen: Magnus Schwantje, Leonard Nelson und Clara Wichmann. Als Vorläufer der Tierrechtsidee möchte ich also alle jene Philosophen, Theologen und Juristen bezeichnen, die davon ausgehen, dass Tieren als Tieren ein eigener moralischer Status und Rechte unmittelbar zukommen und nicht nur indirekt in Ansehung menschlicher Interessen wie Kant behauptet.
Exemplarisch für die erste Auffassung steht ein Text, der im Mai 1989 auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Partei ”Die Grünen” verlesen wurde und der in 17 Artikeln die Grundrechte der Tiere proklamiert1. Es war nicht die erste Formulierung: 1978 hatte z.B. eine französische „Liga für Tierrechte“ ihre Fassung dem Europarat und der UNESCO vorgelegt2, aber es ist bisher die umfassendste, die das Recht der Tiere auf Leben und Lebensmöglichkeiten und Verschonung von physischer und psychischer Gewalt fordert.
1 Proklamation der Grundrechte der Tiere. Herausgeber: Die Grünen – Bundesarbeitsgruppe Mensch und Tier, Colmantstr. 36, 5300 Bonn (Sonderdruck, 4 Seiten) 2 „Rechtekonzept“ in: Gotthard M. Teutsch, Lexikon der Tierschutzethik, Göttingen 1987, S. 171 ff 2 Ausdrücklich Bezug genommen wurde darin auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, - deren 200. Wiederkehr man so würdigen wollte – und die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von Olympe de Gouges von 1791.
Dass die Rechtswirklichkeit allerdings hiervon Jahrhunderte entfernt war, zeigte der Entscheid des Verwaltungsgerichts Hamburg in der bekannten Robbenklage von neun Umweltverbänden im Namen der Nordseerobben gegen die Dünnsäureverklappung. Das Gericht urteilte 1988, dass „rechtsfähig oder Rechtssubjekt oder Person“ gleichzusetzen seien, dass der Schutz von Tieren nur als „sittliche Pflicht des Menschen, nicht aber als Recht dieses Geschöpfes selbst“ ausgeformt sei und der Gesetzgeber sich einer Einführung eines Eigenrechts der Tiere verschlossen habe.3
Die Begründung zeigte, dass man – trotz Darwin und Jane Goodall oder Frans de Wal - nicht über die These Kants aus der „Metaphysik der Sitten“ von 1779 hinausgekommen war: „Das rechtliche Verhältnis des Menschen zu Wesen, die weder Recht noch Pflicht haben. Vacat. Denn das sind vernunftlose Wesen, die weder uns verbinden, noch von welchen wir können verbunden werden.“4
Andere Zeiten und Kulturen hatten dies allerdings anders gesehen: Im Jainismus und im Buddhismus gilt die Tötung oder Schädigung eines Tieres als Unrecht, als Verstoß gegen das für alle Lebewesen geltende Ahimsa-Gebot. In der griechischen Antike wird von einigen Autoren Misshandlung von Tieren als Verstoß gegen das Prinzip der Gerechtigkeit - ”dike” – bezeichnet, im altägyptischen Totengericht können Kühe und Gänse als Kläger auftreten.5
In den Ädilizischen Edikten (367 v.Chr.) waren die Tiere gleich den Sklaven als Sachen aufgefasst, was als Gewährung eines minimalen Schutzes (vor fremder Beeinträchtigung) verstanden werden kann, in der Folgezeit konnten die anderen ebenfalls der patria potestas unterworfenen Gruppen: Frauen, Kinder und Sklaven, sich emanzipieren und nun als Personen selbst Teilhaber der Herrschaft über die Tiere werden.6
Deutlich wird das Tier als Rechtssubjekt, d.h. als Besitzer ”natürlicher Rechte” bei Ulpian: (170 – 228) ”Jus naturale est, quod natura omnia animalia docuit; nam ius istud non solum humani generis proprium, sed omnium animalium, quae in terra, quae in mari nascuntur, avium quoque commune est”7
(Naturrecht ist das, was die Natur alle Lebewesen gelehrt hat. Denn dieses Recht ist nicht allein dem Menschengeschlechte eigen, son- 3 Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 22.9.1988, zitiert nach: Jörg Weber, Die Erde ist nicht untertan. Grundrechte für Tiere und Umwelt, Frankfurt 1990, S. 18
4 Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, in: ders., Sämtliche Werke in sechs Bänden, Leipzig 1922, S. 348 (Kants Formulierung „Vacat“ bedeutet hier: Gibt es nicht!)
5 Claudia Leven, Tierrechte aus menschenrechtlicher Sicht. Der moralische Status der Tiere in Vergangenheit und Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der Tötungsproblematik im Präferenz-Utilitarismus von Peter Singer, Hamburg 1999, S. 19
6 Winfried C. Eberstein, Das Tierschutzrecht in Deutschland bis zum Erlass des Reichstierschutzgesetzes vom 24. November 1933, unter Berücksichtigung der Entwicklung in England. Frankfurt 1999, S. 66 f 7 D. 1,1,1,3 = Ulp. Institutiones I,2 pr. ; zitiert nach: Mario Bretone, Geschichte des römischen Rechts. Von den Anfängen bis zu Justinian. Aus dem Italienischen übersetzt von Brigitte Galsterer. 2. Aufl., München 1998, S. 232, 337 3
...dern allen Lebewesen, die es in der Luft, auf dem Lande oder im Wasser gibt)
Es fragt sich, warum - obwohl Ulpians Zitat 300 Jahre später im Zuge der Justinianischen Kodifikation durch die Aufnahme seiner Formulierung in das Corpus Juris bekräftigt wurde - sie sich letztlich nicht durchsetzen konnte8 U.a. trug hierzu sicher die ablehnende Haltung von Paulus9, Augustinus10
und Thomas von Aquin11, bei, die z.T. auch auf asketisch-vegetarische, „überfordernde“ Strömungen im frühen Mönchstum, wie etwa bei Hieronymus (340 – 420) oder sog. „Ketzern“ reagieren.12
Auch Descartes Maschinentheorie der Tiere ist Teil einer Auseinandersetzung über deren moralischen Status, was Descartes auch indirekt zugibt, wenn er es sich als Verdienst zurechnet, das Gewissen der Fleischesser (Nichtpythagoräer) zu entlasten, indem er ihnen eine Seele abspricht und sie – die Tiere – als Maschinen definiert13.
Die naturrechtliche Auffassung des 17. Jahrhunderts geht – anders als Ulpian – davon aus, dass Menschen und Tieren kein Recht gemeinsam sei – so Pufendorff, 14 Thomasius15 und Wolff16 und dass die Tiere für die Menschen geschaffen seien. Auch in der vertragstheoretischen Fundierung des Rechts erscheinen Tierrechte als unmöglich, da Tiere keine Vertragspartei sein konnten, so Hobbes17 und Spinoza18, die menschliche Pflichten gegen Tiere ablehnen. Hier finden sich schon die Argumente- die z.T. wortwörtlich – später von Kant aufgegriffen wurden, um verbunden mit dem Begriff der Vernunft die Unmöglichkeit der Tierrechte zu beweisen.
Doch auf der Gegenseite kritisierte schon 1718 der Pandektist Augustinus Leyser den Mangel, dass nach dem göttlichen Recht die Tierquälerei verboten, im positiven Recht der einzelnen Länder jedoch nicht unter Strafe ge- 8 ebd., S. 20
9 Kor. I,9 V.9,10 Sorgt sich Gott etwa um die Ochsen? Oder redet er nicht allenthalben um unsertwillen? Diese rhetorischen Fragen können nur als abwertend verstanden werden.
10 Aurelius Augustinus, Disput über das Töten, in: Heike Baranzke, Hans-Theo Gottwald, Werner Ingensiep (Hg.), Leben – Töten – Essen. Anthropologische Dimensionen, Leipzig 2000, S. 164 ff; Hubertus Lutterbach, Der Fleischverzicht im Christentum. Ein Mittel zur Therapie der Leidenschaften und zur Aktualisierung des paradiesischen Urzustandes, in: Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte, Bd. 50, 1999, S. 177 ff; Augustinus begründet seine These von der Rechtlosigkeit der Tiere mit dem Hinweis auf die Schweine von Gadara, in die Jesus die „bösen Geister“ fahren ließ und die sich dann ertränkten. Es ist unwahrscheinlich, dass er als Lehrer der Rhetorik nicht die Ansicht Ulpians oder den damals sehr bekannten biografischen Roman des Philostrat von Lemnos über Apollonius von Tyana und dessen Vorstellung einer engen sympatheia unter allen Lebewesen gekannt haben sollte. Augustinus formuliert also wohl bewusst eine Antithese.
11 Thomas von Aquin, Summa theologica (1266-1273), II-II, qu.64.1, in: Manuela Linnemann (Hg.), Brüder, Bestien, Automaten: das Tier im abendländischen Denken, Erlangen 2000, S. 43 f
12 Augustinus gehörte einige Zeit den Manichäern an, deren „Irrtum“ der Fleischaskese er und Thomas von Aquin heftig kritisieren. In seiner Mönchsgemeinschaft in Hippo galten nur die Gebote der Armut und Keuschheit, nicht das der Fleischenthaltung., vgl. Henri Marrou, Augustinus in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1958, S. 32
13 René Descartes, Brief an Henry More vom 5. Februar 1649, in: Hans Peter Schütt (Hg.), Die Vernunft der Tiere, Frankfurt 1990, S. 108
14 Samuel von Pufendorff, Vom Natur- und Völkerrecht (De iure naturae et gentium) Bd.1, IV. Buch, III. Cap. § 5, (1672), in: Linnemann, S. 76 f
15 Christian Thomasius, Drey Bücher der Göttlichen Rechtsgelahrtheit, II. Buch, X. Hauptstück (1709), in Linnemann, S. 94 ff; § 19 z.B. wird später fast vollständig und wörtlich von Kant übernommen
16 Christan Wolff, Vernünfftige Gedancken von den Absichten der natürlichen Dinge, XI. Cap., § 235 (1726), in: Linnemann, S. 107 ff
17 Thomas Hobbes, Vom Bürger (De cive), 8. Kap., 10, (1642), in. Linnemann, S. 65
18 Baruch de Spinoza, Ethik (Ethica more geometrico demonstrata) IV, S.37, in. Linnemann, S. 76
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stellt sei.19, womit also zum ersten Mal ausdrücklich eine Berücksichtigung der Tiere im Rechtssystem gefordert wird. Kann eine Verurteilung wegen Tierquälerei im Jahre 1688 in Sagan in Preußen noch als Ausnahme angesehen werden20, so intensiviert sich die Diskussion über die sich ausbreitenden Tierversuche, die wegen des Fehlens einer Narkose erhebliche Qualen bedeuteten. Für ihre Erlaubtheit berief man sich auf das Gewohnheitsrecht - so der Jurist Heinrich Klüver1711.21
Aber schon 1739 widerspricht der Leipziger Jurist Karl Ferdinand Hommel22 der hergebrachten naturrechtlichen Lehre von der Korrespondenz von Rechten und Pflichten und stellt die menschliche Pflicht gegen die Tiere fest, sie nicht zu quälen, da Gott alle Lebewesen zu Glück und Harmonie geschaffen
habe.23 Durch ihn wird zum ersten Mal im deutschen Sprachraum der Schutz von Tieren rechtlich verankert und strafrechtlich sanktioniert. Tierquälerei wurde unter dem Pandektentitel ”De exordinariis criminibus” als außergewöhnliches Verbrechen subsumiert und mehrfach von der Universität Leipzig mit einer kurzzeitigen Gefängnisstrafe belegt, nämlich 1765 und 1766. Ein außergewöhnliches Verbrechen in diesem Sinne ist eines, das nicht gesetzlich sanktioniert ist, für das jedoch Gerichte ad hoc Strafen festsetzen können. Für quälerische Experimente hatte Hommel schon Urteilsformeln – wegen Grausamkeit und Unmenschlichkeit vorformuliert. Quälerische Tierversuche hält er für rechtswidrig, weil niemand in der ”Hoffnung auf ein unsicheres Gut sichere Übeltaten begehen dürfe.”24 Hier wird ein Abwägungsprinzip – wohl zum ersten Male in der Rechtsgeschichte – unparteiisch angewandt, d.h. es kommt entscheidend auf das Kriterium sicher/unsicher bzw. Gut und Übel an und nicht auf die Kategorie Mensch/Tier.
Um auf eine parallele Entwicklung hinzuweisen: in England wurden seit 1770 nachweislich Tierquälereien mit Strafen belegt.25 Im Jahre 1764 erschien in Mailand (genauer: wegen der Zensur in Livorno)
die Schrift des Mailänders Cesare Beccaria ”Über Verbrechen und Strafen”, in der er die Grausamkeit der Folter und der Todesstrafe anklagte und deren Berechtigung in Frage stellte. Sehr schnell erschienen ab 1765 deutsche Übersetzungen, bis 1870 insgesamt zehn.26 Hommel war Herausgeber einer deutschen Ausgabe und nachdrücklicher Vertreter der Thesen Beccarias, und - wie er ausdrücklich betont - , schon vor der Bekanntschaft mit diesem Gegner der Todesstrafe gewesen und für die Differenzierung von Sünden, Verbrechen und bloß verächtlichen Handlungen eingetreten, wofür er allerdings 19 Augustinus Leyser, Meditationes ad pandectas, vol. I sec. 3 § 5, zitiert nach: Thomas Cirsovius, Die Verwendung
von Tieren zu Lehrzwecken. Historische, verfassungs- und verwaltungsrechtliche Untersuchung, Baden-
Baden 2002, S. 26 (Die Pandekten bilden den Hauptteil des Corpus Juris.)
20 Eberstein, S. 70, Fn 276
21 Cirsovius, S.26
22 Zu Hommel (1722-1781): Gerd Kleinheyer, Jan Schröder (Hg.), Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Eine biographische Einführung in die Rechtswissenschaft, 4. neubearbeitete und erweiterte Aufl.,
Heidelberg 1996, S. 194 ff.
23 Eberstein, S. 71
24 Cirsovius, S. 26
25 Konstantin Leondarakis, Ethik im Recht. Am Beispiel des Tatbestandsmerkmals der „ethischen Vertretbarkeit“ im Tierschutzgesetz, Baden-Baden 2001, S. 23
26 Wilhelm Alff, Zur Einführung in Beccarias Leben und Denken, in: ders. (Hg.), Cesare Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, Frankfurt 1998, S. 18 ff 5 nur Ablehnung geerntet habe. Hommel wird auch als „deutscher Beccaria“ bezeichnet, was seiner selbständigen Position allerdings nicht gerecht wird.27
Sensibilita ist das Schlüsselwort Beccarias und auch des 18. Jahrhunderts. Die Sensibilität gegen Schmerzen begründet das Recht auf Verschonung von Folter, „Irresein“ ist kein Grund, die Rechte der Persönlichkeit zu verletzen, so nimmt Philippe Pinel in der französischen Revolution den sog. „Irren“ die
Ketten ab.28 In einer Fülle von Schriften werden die harten Strafen gegen Kindsmörderinnen kritisiert und für die besten Vorschläge zur Verhütung des Kindsmords wird sogar ein Preis ausgesetzt, woraufhin hunderte Aufsätze mit entsprechenden Vorschlägen eingehen.
Alle diese Bemühungen tragen bei zur Ausbildung eines Menschenbildes, das weniger grausam und triebhaft, kontrollierter, dabei einfühlsamer und sensibler sowie pflichtbewusster ist. Säugling und Kleinkind werden deutlicher als zuwendungsbedürftige Wesen mit eigenen zu respektierenden Bedürfnissen erkannt.29 Zugleich wird auch in der Pädagogik – bei allen noch vorhandenen Unzulänglichkeiten - einerseits die Abkehr von gewalttätigen Züchtigungsmethoden hin zu mehr innenorientierten Erziehungsmaßnahmen und damit zu einer mehr innengesteuerten Persönlichkeitsstruktur30 gefördert, die ihrerseits fähig ist, ihr Gegenüber differenzierter wahrzunehmen und das eigene Verhalten entsprechend zu modifizieren. In diesem sozialen Lernprozess kommt der Behandlung von Tieren eine zentrale Rolle zu, wie eine Fülle entsprechender pädagogischer Schriften sowie der hohe Anteil von Pfarrern und Lehrern in diesem Kontext belegen.

Diese sind zumeist auch die Autoren der Schriften, die sich gegen die gängige rohe Behandlung der Tiere wenden, so hierzu gehört z.B. Wilhelm Dietlers Aufruf „Gerechtigkeit gegen Tiere,“ 1787, Laurenz Smith, Über die Natur und die Bestimmung der Thiere wie auch von den Pflichten der Menschen gegen die Thiere“ 1789, Christian Gotthelf Schmeiser, „Das thierische Elend. Ein Versuch zur Linderung desselben.“ 1789, Johann Friedrich Ludwig Volckmann , „Menschenstolz und Thierqualen“, 1799, Jean Paul, „Levana oder Erzieh-Lehre“, 1807, Johann Heinrich Eichholz, „Einige Winke über Aufklärung und Humanität nebst einer kleinen Abhandlung über die Bestimmung und die Pflichten gegen Thiere“, 1805, J.C.W. Scherer, „Die Leiden der Tiere. Ein Buch für Jedermann, besonders für die Jugend und ihre Freunde zur gerechten
und liebreichen Behandlung der Thiere“ (2. Aufl. 1808), um nur einige zu nennen.31
Die Kombination tierethischer und humaner, zivilgesellschaftlicher Bestrebungen findet sich u.a.bei dem norddeutschen Jakobiner Freiherr von Knigge, exemplarisch verkörpert sie auch Voltaire, der politische und juristische Willkür, gesellschaftliche Vorurteile und Ungerechtigkeiten ebenso anklagt wie die Grausamkeit der Tierausbeutung, sei es das Schlachten oder die Vivisektion: ”Barbaren greifen sich den Hund, .... sie nageln ihn auf einem Tisch...
27 Karl Ferdinand Hommel, in: Kleinheyer, Schröder (Hg.), S.196............... 28 Alff, S. 38
29 Elisabeth Badinter, Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls, Frankfurt 1988; Llyod de Mause, Hört ihr die Kinder weinen? Eine psychoanalytische Geschichte der Kindheit, Frankfurt 1977 30 Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Erster Band. Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes, Frankfurt, 15. Aufl. 1990, S. 161 verweist auf die zunehmenden Skrupel, beim Fleischessen auf das tote Tier aufmerksam zu machen, das im Mittelalter oft als ganzes die vornehme Tafel beherrschte, indem nicht mehr bei Tisch sondern an speziellen Anrichten tranchiert wird. Dieser Prozess ist inzwischen noch sehr viel weiter fortgeschritten, wie sich in der Beliebtheit von Produkten wie chicken Mc nuggets oder Fischstäbchen zeigt. 31 Textauszüge dieser Autoren in Linnemann, S. 138 ff
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fest und zergliedern ihn lebendig, um dir die Gekrösenerven zu zeigen. Du entdeckst in ihm all dieselben Organe der Empfindung wie sie in Dir vorhanden sind. Antworte mir, Maschinist, hat die Natur in diesem Tier all die Sprungfedern der Empfindung zu dem Zweck eingerichtet, dass es nichts spürt? Hat es Nerven, um unempfindlich zu sein? Glaube doch nicht an einen derart frechen Widerspruch der Natur.”32
Auf der anderen Seite macht Kant Beccaria lächerlich, dieser habe „aus teilnehmender Empfindelei einer affektierten Humanität (compassibilitas) seine Behauptung der Unrechtmäßigkeit aller Todesstrafe aufgestellt“33 und gegen diese „Sophisterei und Rechtsverdrehung“34 verteidige er ihre Berechtigung und Notwendigkeit.

Andere Zeitgenossen sahen ebenfalls die Empfindsamkeit als ein überspanntes und enthusiastisches Gefühl für Freundschaft und Liebe, als ein sehr reizbares Mitleiden mit den Schmerzen anderer, und selbst der Thiere, eher kritisch35. Wo die äußere Natur – die Tiere – unterworfen bleiben soll, muss – im bürgerlichen Konzept – auch die innere emotionale, animalische Seite der Menschennatur gebändigt werden, und zu starke Gefühle – auch des Mitleids – gefährden den auf Vernunft, Rationalität und Ökonomie gegründeten gesellschaftlichen Konsens.
Es ist das bleibende Verdienst Jeremy Benthams, den entscheidenden logischen Fehler der Kantschen Argumentation aufgewiesen zu haben, nämlich, dass es in der Frage der Behandlung der Tiere, d.h. der ihnen zugefügten Leiden, eben nicht um ihre Vernunft (can they reason) sondern um ihre Leidensfähigkeit
(can they suffer) geht.36
Eine direkte Widerlegung der Kantschen Auffassung, dass Menschen gegen Tiere keine direkten Pflichten hätten, unternimmt der dänische Theologe Laurenz Smith, in seiner schon genannten Schrift von 1789. „Nie würde ich dieses sonderbaren Schlusses erwähnt haben, wenn nicht ein berühmter Gelehrter unsers Jahrhunderts, ihn im vollen Ernst gebraucht hätte ...“37 Smith bezweifelt, dass die Kenntnis der eigenen Rechte zwingende Voraussetzung des Besitzes von Rechten ist und kritisiert die Zweck-Mittel-Dichotomie, von der Kant ausgeht38. Dagegen betont er, „... daß das Daseyn der Thiere gerade in dem eigentlichsten und unmittelbarsten Verstande Hauptabsicht ist, daß ein jedes lebendiges Wesen am nächsten und unmittelbar um seiner selbst willen da sey, und um durch das Daseyn glücklich zu seyn.“39
Auch der deutsche Philosoph Karl Christian Friedrich Krause (1781 – 1832) hat in seinem „System der Rechtsphilosophie“ 1825/28 anders als Kant den Tieren Vernunft auf einer niedrigeren Stufe und entsprechende Rechte „dass 32 Voltaire in: Cirsovius, S. 25
33 Kant, Metaphysik der Sitten, a.a.O., S. 459 34 ebd.
35 C.F. Pockels, Über die Verschiedenheit und Mischung der Charaktere.In: C.F. Pockels,. (Hg.) Beiträge zur Beförderung der Menschenkenntnis, besonders in Rücksicht unserer moralischen Natur, 1 Stück, Berlin 1788, S.37: zitiert nach: Uwe Rohlje; Autoerotik und Gesundheit. Untersuchungen zur gesellschaftlichen Entstehung und Funktion der Masturbationsbekämpfung im 18. Jahrhundert, Münster, New York 1991, S. 118
36 Jeremy Bentham, Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung, 1789, in: Linnemann, S. 134 f
37 Lauritz Smith, Über die Natur und die Bestimmung der Thiere wie auch von den Pflichten der Menschen
gegen die Tiere, II. Theil, 1. Cap. 1790, in: Linnemann, S. 140
38 Tiere als Mittel zu beliebigen menschlichen Zwecken, Menschen als „Zweck an sich“, niemals nur Mittel
39 ebd., S. 142
7 sie den Begriff ihrer Thierheit auf eine wesentliche Weise darstellen“ zugesprochen.
40 Außer Laurenz Smith fordern die Anwendung des Rechtsbegriffs auf Tiere Humphrey Primatt (1776), der auch die Parallele zwischen Tierausbeutung und Rassismus zieht41, Wilhelm Dietler (1787)42, Johann Ludwig Volckmann (1789)43, Herman Daggett (1791)44, Autoren, deren Argumente von Kant nicht berücksichtigt werden.
Das 19. Jahrhundert brachte für die Tiere insgesamt sicher eine Verschärfung und quantitative Zunahme sowie auch Vervielfältigung der Methoden der Ausbeutung in Landwirtschaft, Industrie und Wissenschaft. Gleichzeitig – aber ohne diese durch die Entwicklung der Industriegesellschaft ausgeweiteten Missstände auch nur annähernd kompensieren zu können, entwickelten sich neue Ansätze des Tierschutzes bzw. der Verteidigung der Tierrechte.
Zum einen werden Tierschutz und Tierrechte nun organisiert vertreten, d.h. in Vereinen, auch eine breitere Literatur, vor allem für Kinder und Jugendliche entsteht. Staatlicherseits werden die ersten positiven gesetzlichen Regelungen für den Umgang mit Tieren geschaffen, die allerdings – als praktische Anwendung der Kantschen Lehre von den nur indirekten Pflichten der Menschen gegen die Tiere die „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ oder die „Verletzung des sittlichen Empfindens“ als tatbestandsmäßig voraussetzen, da eine Verletzung von Rechten von Tieren nicht gegeben sein konnte. Bekanntlich gab es das erste - sehr spezielle - Tierschutzgesetz in England 1822, andere Länder auf dem Kontinent folgten nach, als erstes Sachsen 1838 45.
Schließlich ist die Ausbreitung und vereinsmäßige Organisierung der vegetarischen Bewegung im 19. Jahrhundert insofern wichtig, als die grundsätzliche Frage nach der Berechtigung von Tiertötungen, d.h. nach dem Recht auf Leben und nicht nur auf Verschonung von Grausamkeit aufgeworfen wurde.
Schon der amerikanische Pfarrer Herman Daggett, hatte das Recht zum Essen von Fleisch bestritten. 1847 wurde die erste vegetarische Gesellschaft Englands in Manchester, 1867 die erste deutsche durch den freikirchlichen Pfarrer und Revolutionär von 1848, Eduard Baltzer in Nordhausen, 1868 die zweite in Stuttgart durch das Ehepaar Struve gegründet. Beide waren aus ethischen Gründen Vegetarier, beide Teilnehmer am badischen Freiheitskrieg 1848, in dem Amalie auf der Flucht erkannt und verhaftet wurde, weil sie kein Fleisch aß. Gustav von Struve schrieb einen „propagandistischen“ vegetarischen Roman, dessen, „Helden“ Inder (!) verhungern lieber im deutschen Gefängnis, als Fleisch zu essen..46
Während die „Vindication of the rights of women“ der Mary Wollstonecraft von dem Altphilologen Thomas Taylor 1792 mit einer „Vindication of the rights of brutes“ beantwortet worden war, um die Idee der Frauenrechte durch die Idee der Tierrechte ad absurdum zu führen, gab es im 19. und frühen 20. Jahrhun-
40 Karl Christian Friedrich Krause, System der Rechtsphilosophie (1825-1828), I. Theil, in: Linnemann, S.172
41 Humphrey Primatt, Über Barmherzigkeit und Grausamkeit gegen die thierische Schöpfung, 1. Kap, (1778), in: Linnemann, S. 135 ff
42 Wilhelm Dietler, Gerechtigkeit gegen Thiere. Appell von 1787, Bad Nauheim 1997
43 Johann Friedrich Ludwig Volckmann, Menschenstolz und Thierqualen. Eine Verteidigung der seufzenden Kreatur vor dem Richterstuhle der Menschlichkeit, Helmstedt, 1799, in: Linnemann, S. 143 ff. Der Jurist Volckmann wendet sich gegen Descartes und die „gewöhnliche speculative Philosophie“ (Kant?), die eine dünkelhafte Vorstellung von der menschlichen Vernunft und der Unvernunft der Tiere entwickelt habe.
44 Herman Daggett, Die Rechte der Tiere, 1791, in: Linnemann, S. 154 ff
45 Eberstein, S. 77 ff stellt die Schritte von den ersten Entwürfen 1821 bis zum fertigen Gesetz dar.
46 Amalie Struve, Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen, Hamburg 1850, in: Gerlinde Hummel-
Hasis (Hg.), Schwestern zerreißt eure Ketten. Zeugnisse zur Geschichte der Frauen in der Revolution von
1848/49, Frankfurt 1989, S. 208
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dert durchaus Feministinnen wie Frances Cobb, Charlotte Despard und Clara Wichmann, die einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen beiden als antihierarchischen Konzepten sahen.47-
Das Buch Henry S. Salts (1851 –1939) „Animal’s Right Considered in Relation to Social Progress“ (1892) gibt schon in seinem Titel an: Tierrechte sind Teil des gesellschaftlichen Fortschritts, ein Verständnis, das sich bis heute in der angelsächsischen Tradition erhalten hat. Salt war Humanist und Sozialist, Verfasser von „Humanitarianism: it‘s General Principles and Progress“ (1893) und Gründer der Humanitarian League, die als erste Tierrechtsorganisation angesehen werden kann (1891), ebenso wie sein Buch Animals‘ Right als die Grundlage der Tierrechte in ihrer heutigen Fassung bildet.48
Die Verhältnisse in England und die dortige Entwicklung der Gewerkschaften und sozialistischen Organisationen machten ein Zusammengehen der politischen Linken und der Tierrechtsbewegung leichter – exemplarisch mag hier der Hinweis auf G.B. Shaw und Mahatma Ghandi genügen, während in
Deutschland die sozialistische Linke – orientiert am Marxschen Naturbeherrschungspardigma – z.T. geradezu tierfeindliche Vorstellungen entwickelte. In England dagegen kam es 1907 sogar zu Straßenunruhen wegen Tierversuchen, „Old Brown Dog Riots“, bei dem „sowohl die Frauen als auch die Arbeiter in den Tierversuchen Symbole ihrer eigenen Unterdrückung fanden.“49
In Deutschland waren es um 1900 daher eher Pazifisten und Humanisten als Sozialisten, die die Frage der Tiertötung mit der des gesellschaftlichen Gewaltzusammenhang verbanden und als illegitime Gewalt brandmarkten, bei der es nur ein quantitativer, kein qualititativer Unterschied ist, ob sie sich gegen Menschen oder Tiere richtet. Aphoristisch von Tolstoi formuliert: „Solange es Schlachthöfe gibt, wird es Schlachtfelder geben.“
Im Umfeld des „Bund für radikale Ethik“ finden wir eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten der damaligen pazifistischen, demokratischen und sozialistischen Bewegung, sei es als Autoren, Abonnenten, Spender oder Vereinsmitglieder: Ludwig Quidde erster deutscher Friedensnobelpreisträger-, Magnus
Schwantje, Hans Paasche, Otto Umfried, Johannes Ude, Emil Julius Gumbel, Walter Hammer, Theodor Lessing, Bertha von Suttner, Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg, Theodor Lessing, Ludwig Gurlitt, um nur einige zu nennen.
Dieser – für die meisten sehr wichtige - Teil ihrer Arbeit und ihres Lebens wird von Biographen oder Bearbeitern häufig übersehen, wenn nicht bewusst verschwiegen.
Für Magnus Schwantje (1877-1959), ursprünglich Buchhändler, Gründer und Mittelpunkt des „Bund für radikale Ethik“ war die Frage der Tierrechte eng verbunden mit anderen gesellschaftlichen Fragen. Schwantje hat lange vor Albert Schweitzer – nämlich 1902 - den Begriff der Ehrfurcht vor dem Leben
entwickelt und dafür bei wesentlich geringeren Mitteln und unter größeren persönlichen Opfern – konsequent gelebt. Seine philosophischen Überlegungen kreisen immer wieder um das Problem der Gewalt und der Fähigkeit zum Frieden, wobei er durchaus eigene Abwägungsprinzipien entwickelt, was u.a. das „Recht zur Gewaltanwendung“ betrifft.
1907 hatte er die „Gesellschaft zur Förderung des Tierschutzes und verwandter Bestrebungen“ gegründet, die er nach dem 1. Weltkrieg in
47 Judith Baumgartner, Vegetarisch im 20. Jahrhundert – eine moderne und zukunftsfähige Ernährung, in: Manuela Linnemann, Claudia Schorcht (Hg.), Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer Lebensweise. Erlangen 2001, S. 120
48 ebd., S. 118
49 ebd., S. 120

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„Bund für radikale Ethik“ umbenannte. 1912 gründete er die „Ethische Rundschau – Monatsschrift zur Läuterung und Vertiefung der ethischen Anschauungen und zur Förderung ethischer Bestrebungen“, die sich vor genommen hatte, den „Zusammenhang aller dieser Bestrebungen und ihre Abhängigkeit
voneinander erkennen“50zu lassen. Diese Bestrebungen waren die Tierschutzbewegung (besonders der Vegetarismus, der Kampf gegen die Vivisektion und der Kampf gegen das Jagdvergnügen), die Friedensbewegung, die Bekämpfung des Alkoholismus ...., die Reform des Strafrechts und des Strafvollzuges, die Bodenbesitzreform, die Gartenstadtbewegung, die Naturschutzbewegung, die Schulreform, der Kinderschutz, die Bestrebungen zur Veredlung der Geschlechtsmoral (z.B. den Mutterschutz), einige freiheitliche politische Bestrebungen, einige Bestrebungen der Frauenbewegung und viele andere.“51
Durch die Gründung einer neuen Zeitschrift will Schwantje dem Mangel abhelfen, dass wichtige, zukunftsträchtige Bewegungen, wie die zuerst genannten, in der Presse zuwenig Beachtung finden, während die weiter genannten Anliegen, die schon über eine Öffentlichkeit verfügen, aus Sicht der Ethischen Rundschau unterstützt, aber ggf. anders beleuchtet und in ihrem Zusammenhang mit der
Tier- und Friedensproblematik dargestellt werden sollten.52
So thematisiert die Ethische Rundschau nicht nur Tierversuche, sondern Menschenversuche, z.B. an Kindern in einem Waisenhaus53, kritisiert die Jagd und den gefährlichen und strapaziösen Einsatz von Kindern bei Treibjagden.
Selbstverständlich steht bei der Frage „Hat der Mensch das Recht, Fleisch zu essen?“ die Tiertötung und die Grausamkeit der Schlachtung im Vordergrund, aber gleichzeitig kritisiert Schwantje doppelte Moral gegenüber dem Schlachter, den mancher Fleischesser insgeheim verachtet aber braucht, während sich
manche Schlachter und insbesondere die Lehrjungen der ärmeren Klassen ihren Beruf nicht hätten aussuchen können. Schwantjes ausgeprägte soziale Sensibilität und politisches Bewußtsein, führen ihn immer auf seiten der Republik, der Demokratie und des Friedens, frei von jedem Vorurteil, sei es gegen
Menschen ausländischer Herkunft, gegen Juden oder gegen Frauen oder gegen Randgruppen, z.B. Strafgefangene oder Behinderte54. Durch intensive Mitarbeit in den Organisationen der deutschen Friedensbewegung versuchte Schwantje immer, den Gedanken der Zusammengehörigkeit aller auf Frieden und Gewaltlosigkeit gerichteten Bestrebungen deutlich zu machen und für seine umfassende
Ethik zu werben. So gehörte er 1919 zu den Mitbegründern des „Bundes der Kriegdienstgegner“ und vertrat den Bund für radikale Ethik im Deutschen Friedenskartell55. So publizierte Bertha von Suttner, schon in der ersten Nummer der „Ethischen Rundschau“ einen Artikel gegen die Vivisektion56.
Magnus Schwantje konnte seine Friedens- und Tierrechtsarbeit nach 1933 selbstverständlich nicht in Deutschland fortsetzen, er wurde verhaftet, im Columbia- Haus in Berlin inhaftiert und verhört. Nach seiner vorläufigen Freilassung löste er den Bund für radikale Ethik auf und emigrierte in die Schweiz, wo
50 Über die Aufgaben dieser Zeitschrift, in: Ethische Rundschau, 1, 1912, S. 3
51 ebd. S. 3
52 ebd. S. 3, 4
53 Ethische Rundschau II, 1913, S. 25
54 In der „Ethischen Rundschau“ 1914, S. 41 und S. 177 kritisiert Schwantje z.B. von sog, Eugenikern vorgeschlagene
Maßnahmen, die in einem Kalender teilweise gleicher Tendenz publiziert worden waren. In Exemplare
dieses Kalenders, die seine Gesellschaft zur Weitergabe erworben hatte, hatte er einen Hinweis auf eine kritische
Stellungnahme in der „Ethischen Rundschau“ eingestempelt.
55 Helmut Donat, Karl Holl (Hg), Die Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich
und in der Schweiz, Düsseldorf 1983, S. 64
56 Bertha von Suttner, Ethische Rundschau I, 1912, S. 73 f
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er mit den geringen Mitteln, die er zur Verfügung hatte, seine Arbeit fortsetzte. 1950 kehrte er in die Bundesrepublik zurück, die ihm eine Rente – als politisch Verfolgter – verweigerte. Er starb 1959.57
Die zentrale Idee Leonard Nelsons, Mathematiker, Philosoph Pazifist und ethischer Sozialist war die des Rechts und des Rechtsstaats – und dies prägte seine Einstellung zu den Tierrechten. Kant weist er nach, den Kreis der sittlichen Pflichten zu eng zu ziehen aufgrund seiner falschen Identifizierung von Pflichtsubjekt und Rechtssubjekt. Tiere. Die Besonderheit Nelsons liegt allerdings darin, dass er das Eintreten für die Tierrechte in sein politisches Programm aufnahm: „Ein Arbeiter, der nicht nur ein ‚verhinderter Kapitalist‘ sein will und dem es also ernst mit dem Kampf gegen jede Ausbeutung ist, der beugt sich nicht der verächtlichen Gewohnheit, harmlose Tiere auszubeuten, der beteiligt sich nicht an dem täglichen millionenfachen Mord, der an Grausamkeit, Roheit und Feigheit alle Schrecknisse des Weltkrieges in den Schatten stellt, - das sind Angelegenheiten, Genossen, die entziehen sich der Abstimmung .... Entweder man will gegen die Ausbeutung kämpfen, oder man lässt es bleiben. Wer als Sozialist über diese Forderungen lacht, der weiß nicht, war er tut. Der beweist, dass er nie im Ernst bedacht hat, was das Wort Sozialismus bedeutet.“   58
Im real existierenden Sozialismus der Sowjetunion, die Nelson 1927 bereiste, bemerkte er allerdings eine sehr schlechte Behandlung der Tiere und litt besonders an seinen Wahrnehmungen aus den Kellerfenstern des Physiologischen Instituts der Kommunistischen Akademie „...das jammervolle Geheul dieser gefolterten Tiere in herzbrecherischer Weise ... tagaus, tagein, Stunde für Stunde.“59
Entsprechend wurden die Mitglieder des von Nelson gegründeten „Internationalen Jugendbundes“ – später umbenannt in „Internationaler Sozialistischer Kampfbund“ - u.a. zur vegetarischen Lebensweise und zum Besuch eines Schlachthofes verpflichtet, ebenso wie in dem von Nelson gegründeten Landerziehungsheim „Walkemühle“ vegetarisch gelebt wurde. Die vom „Internationalen Sozialistischen Kampfbund“ betriebenen vegetarischen Gaststätten spielten im Widerstand gegen das NS-Regime eine Rolle als Treffpunkte und Finanzierungsquellen.60
Obwohl Clara Wichmann, eine in den Niederlanden (1885 – 1922) wirkende Juristin, Feministin und Pazifistin, die besonders durch ihre Ideen zur Strafrechtsreform und Vorsitzende des niederländischen Verbandes für das Frauenstimmrecht sowie als Pazifistin und Antimilitaristin hervorgetreten ist, der Tierrechtsidee nicht die vordringliche Aufmerksamkeit in ihrer relativ kurzen Lebensspanne schenkte, halte ich sie aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation, ihres politischen Engagements und ihres ausgeprägt antihierarchischen Denkens für besonders bedeutend. Clara Wichmann setzte sich für die Rechte benachteiligter Gruppen ein, sie war Juristin und Sozialwissenschaftlerin – durch ihre Tätigkeit im statistischen Büro der Niederlande. Sie gilt heute Historikern als 57 Helmut Donat, Karl Holl , S. 348 f. Wichtige Schriften Schwantjes sind erschienen in: Magnus Schwantje, Gesammelte Werke, Bd. 1, Vegetarismus. Schriften und Notizen zur Begründung der vegetarischen Lehre, München, 1976
58 Lebensnähe, in. ISK. Mitteilungsblatt des Internationalen Sozialistischen Kampfbunde, Bd. 1, H. 3, 1926, wieder abgedruckt in: Leonard Nelson, Gesammelte Schriften in neun Bänden, Bd. IX, S. 361 ff
59 Leonard Nelson, Bericht über die Rußlandreise 1927, in: Holger Franke, Leonard Nelson. Ein biographischer Beitrag unter besonderer Berücksichtigung seiner rechts- und staatsphilosophischen Arbeiten, 2. überarb. Aufl., Ammersbek bei Hamburg, 1997, S. 217
60 Anna Beyer, Politik ist mein Leben, hrsg. von Ursula Lücking, Frankfurt 1991, S. 25f, S.36-41, Rudolf
Giesselmann, Geschichten von der Walkemühle bei Melsungen in Nordhessen. Wirkungsfeld von Minna Specht,
Leonard Nelson, IJB und ISK, Bad Homburg, 1997, S. 71
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die Theoretikerin der Gewaltlosigkeit von ähnlicher Bedeutung wie Ghandi und als deren erste Geschichtsphilosophin61. Wenn sie von der Rechtlosigkeit der Tiere spricht, dann ist das keine Floskel, sondern, hat einen konkreten Sinn, da sie z.B. eine fundierte Analyse des Taylorsystems, Arbeiten über die Grausamkeit der damaligen Strafauffas sung oder über den minderen Rechtsstatus der Frauen geliefert hatte. Clara Wichmann kritisiert Unrecht und Gewalt also - wie Schwantje und Nelson und viele andere nicht nur in intrahumaner sondern auch in transhumaner Hinsicht.62
Sie weist in ihrem Aufsatz über die zukünftige Moral auch der Tierrechtsidee ihren Platz zu und anerkennt die vegetarischen und antivivisektionistischen Bewegungen der Gegenwart als bedeutsam für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung.63 Clara Wichmann hat in einem Aufsatz - bezeichnenderweise
unter Pseudonym - mit dem Titel „De Rechtspositie der Huisdieren“ 1920 die rechtliche Position der Haustiere genauer untersucht64. Die Unterordnung der Tiere unter das Sachenrecht sowie die Kennzeichnung von Vergehen gegen sie als Vergehen gegen die „Sitten“ werden von Clara Wichmann angegriffen. Sie vergleicht die Situation von Tieren im menschlichen Rechtssystem mit der von Sklaven, oder mit Angehörigen unterworfener Völker wie Kelten unter germa-
61 Gernot Jochheim, Einführung. Über Clara Wichmann und über dieses Buch, in: ders. (Hg.), Clara Wichmann.
Der Weg der Befreiung. Texte über aktive Gewaltlosigkeit 1917 – 21, Kassel 1989, S. 8. Jochheim ist m.W. bisher der einzige Wissenschaftler im deutschen Sprachraum, der sich mit Clara Wichmann beschäftigt hat, allerdings nicht mit dem Thema „Tierrechte“.
62 Henriette Roland-Holst – Van der Schalk, Clara Meijer-Wichmann Herdacht, in: Clara Wichmann, Vrouw en maatschappij, S. 45 „ Aber wie Clara Wichmann, trotz ihrer ausgeprägten persönlichen Abneigung gegen Zwang und Gewalt, kein Dogma aus der absoluten Gewaltlosigkeit gemacht hat, so hat sie sich bedingungslos dagegen gewandt, wenn sie von Mächtigen gegen Machtlose, von Starken gegen Schwache und Wehrlose gebraucht wurde.
Der Drang, alles, was nicht im Stande war, für sich selbst aufzustehen, selbst zu schützen und dafür zu sorgen, war ein bedeutender, wahrscheinlich der bedeutendste Teil ihres Rechtsbewußtseins. Aus diesem Rechtsbewußtsein heraus hat sie sich eingesetzt für das Recht des Kindes und der Frau, nach eigenem Bedürfnis und Verlangen zu leben; - der Frau und des Proletariers, um am Aufbau der Kultur in vollem Umfang teilzunehmen; - des Straftäters, damit er anerkannt wird als Mensch, der nicht ausgeschlossen werden soll, sondern dem man helfen muss, seine Schwäche zu überwinden – und schließlich für das Recht der wehrlosesten aller Wesen, die zu dem vom Menschen geschaffenen Kulturmilieu gehören: der Haustiere, ihr Recht, als lebende, mit Empfindung und Verstand begabte Wesen behandelt zu werden. – Fn.: Auch gegenüber den Tieren geht sie von der Auffassung aus, dass sie das Recht auf gute Versorgung haben. Man lese ihren schönen Aufsatz in „Befreiung“ über die Rechtsstellung unserer Haustiere – voller Liebe zum Tier und gleichzeitig vollkommen frei von Sentimentalität.“ (Zum Andenken an Clara Meijer-Wichmann, Übersetzung von der Verfasserin,
R.B.) – Soweit bekannt ist dies die einzige Würdigung des tierrechtlichen Engagements von Clara
Wichmann. Immerhin ist es ihrem Ehemann, Jo Meijer, zu danken, dass der Aufsatz über die Rechtsstellung der Haustiere in ihren Sammelband „Bevrijding“ (Befreiung) aufgenommen wurde.
63 Clara Wichmann, De moraal in de maatschappij de toekomst (1917), in: dies., Vrouw en maatschappij, Utrecht, 1936, S 227 (Die Moral der zukünftigen Gesellschaft, in: Frau und Gesellschaft)
64 dies., De rechtspositie der huisdieren, 1920, in: De Nieuwe Amsterdammer, wieder abgedruckt in: Jo Meijer (Hg.), Bevrijding, Opstellen van Clara Meijer-Wichmann, Arnhem 1924, S.156-162. De Nieuwe Amsterdammer war ein Wochenblatt und kann als das Organ des „Bond van Revolutionnair Socialistische Intellektueelen“ angesehen werden, vgl., Jochheim, S. 46
65 Clara Wichmann berichtet über eine juristische Promotion, bei der diese Frage zu ihrem Bedauern nur als Scherz verstanden worden war: ein Doktorand hatte erklärt, dass junge Störche, die noch nicht fliegen könnten, dem Eigentümer des Storchennestes gehörten. (Es ging um ein allererstes Verbot des schrankenlosen Abschießens von Vögeln in den Niederlanden). Hierauf hatte der Prüfer scherzhaft gefragt, ob denn nicht die Storcheneltern die Eigentümer des Nestes seien? In einem anderen Beispiel verkauft eine Bäuerin eine neugeborene Ziege, weil sie es „schade“ um die Milch findet. Clara Wichmann fragt, für wen denn „unser lieber Herr“ die Milch bestimmt habe, wenn nicht für die neugeborene Ziege? Hier greift sie, die selbst nicht im landläufigen Sinne religiös war, auf eine religiöse Begrifflichkeit zurück, um den „eigentlich selbstverständlichen“ Anspruch des Tieres zu verdeutlichen.12
nischem oder Heloten unter spartanischem Recht oder auch im weiteren Sinne mit der Situation der Frauen. Sie sieht einen unhaltbaren Widerspruch darin, dass Verhältnisse, die die Tiere persönlich betreffen, vom Recht als sachenrechtliche angesehen werden und fordert,dass Tiere als Wesen mit eigenen Rechten anerkannt werden, wobei sogar die Frage nach dem Eigentumsrecht der Tiere aufgeworfen wird65.
Der Rückblick auf die Vorläufer der Tierrechtsidee hat eine sehr viel längere und reichere Geschichte gezeigt, als sich angesichts der realen Lage der Tiere wohl vermuten ließe. So beginnt die Tierrechtsidee nicht erst mit Peter Singer oder Tom Reagan, sondern lässt sich bis weit in das 18. Jahrhundert und sogar bis in die Antike verfolgen. Man fragt sich, warum trotz so vieler guter Argumente auf Seiten der Verteidiger der Tierrechte dieser Gedanke sich nicht durchsetzte und wird hier nur mit Leonard Nelson auf das menschliche Interesse verweisen müssen. Tierrechtler waren im allgemeinen auch Menschenrechtler,
und wie die drei letzten Beispiele zeigen überaus engagierte - während umgekehrt leider viele Menschen und Menschenrechtler hier geradezu eine Konkurrenz oder gar einen Widerspruch sehen.
Die Rechtsidee und die Rechtsstaatlichkeit heben sich allerdings dann auf und verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn die systemimmanenten Widersprüche zu offenkundig werden, und nachdem wir einmal wissen, dass Tiere keine Maschinen sind, können wir nicht fortfahren, sie so zu behandeln und dies als „Recht“ zu erklären, ohne die Idee des Rechts und der Gerechtigkeit selbst ad absurdum zu führen. Die mangelnde Verankerung der Tierrechte im positiven Recht, die Konstruktion des „vernünftigen Grundes“, die Fülle der Ausnahmen verweisen auf nichts anderes als die Schwäche der Rechtsidee selbst.
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