Anläßlich einer aktuellen Veranstaltung der Grundschule Wallerfangen zum Thema "Zirkuspädagogik" - bei der letztendlich unreflektiert / unisono ein desaströser Ansatz vermittelt wird - im Übrigen durch diesen Zirkus Oriental seit Jahren saarlandweit und skandalöser Weise auch noch mit Unterstützung von Jugendämtern - verantwortlicher Politik - kritiklosen Eltern/Lehrern etc. -
Zirkus Oriental ist in deutschen Grundschulen unterwegs, um Kindern "Pädagogik" zu vermitteln. Für bewegungsfreundige Tiere bedeutet das, dass sie eine ganze Woche auf dem Schulhof in einem kleinen Gehege im Stallzelt untergebracht sind und somit permanent Lärm und Stress ausgesetzt sind. Dieser Zirkus hat sich komplett auf Schulpädagogik beschränkt, da (O-Ton eines Zirkusangehörigen) im normalen Zirkusgeschäft kein Geld zu machen ist weil die Besucher ausbleiben.
Wir halten diese Form der Beeinflussung von Kindern für ein pädagogisches Desaster, da Kindern vermittelt wird, dass man Tiere als Show- und Vorführobjekte benutzen
darf, dass man sie dressieren und einsperren darf. Wir haben im Vorfeld versucht, einen Gesprächstermin mit dem Schuldirektor zu bekommen, dieser vertröstete uns jedoch bis "nach den Ferien",
unsere Mail (nach den Ferien) blieb unbeantwortet, da er "wegen dem Zirkus keine Zeit" hatte. So blieb uns heute vor Ort nur Zeit für ein sehr kurzes Gespräch, indem der Schuldirektor erklärte,
dass er keinerlei Interesse an unserem angebotenen tierethischen Unterricht hätte, der u. a. auch dieses
Zirkusprojekt infrage stelle.
Mitfinanziert und mitorganisiert wurde diese Zirkuswoche u. a. vom Förderverein der Schule, da die Schule selbst weder Gewinne erwirtschaften, noch Spenden annehmen darf, ebenso beteiligte sich
das Jugendamt Saarlouis an der Finanzierung.
Mehrere interessante Gespräche konnten wir führen:
Zum einen bat uns ein Schüler, dass wir nicht so nahe an die Tiere gehen sollten, da sie unter der Woche unter schlimmem Stress gestanden hätten und ihre Ruhe bräuchten. Im Gespräch mit uns sagte er, dass er es nicht schön fände, dass die Tiere so lange in dem winzigen Gehege gefangen gehalten werden statt draußen auf einer großen Wiese frei laufen zu dürfen. Zum anderen konnten wir mehrere Gespräche mit Eltern führen, die mit diesem Zirkusprojekt grundsätzlich nicht einverstanden waren, ihre Kinder aber dennoch teilnehmen mussten weil es zum Unterricht gehört und in die allgemeine Bewertung mit einfließt. Einigen Eltern blieb nur der Boykott jeder "Elterntätigkeit" im Verlauf der Woche.
Zirkuspaedagogik
In diesem kurzen Abriss werden die Ziele und Möglichkeiten der Zirkuspädagogik erläutert. Da die Zirkuspädagogik nicht selten von Seiten ungeschulter Lehrer_innen in Schulen, aber auch von pädagogischen Laien und profitorientierten Privatunternehmen (bspw. Zirkusunternehmen) missbraucht wird, erscheint es gleichermaßen wichtig aufzuzeigen, wofür Zirkuspädagogik nicht stehen darf.
Grundlegendes
Die pädagogische Arbeit muss bei der Zirkuspädagogik nicht im Vordergrund stehen. Zunächst ist es wichtig, dass ein Lernumfeld für Eigenmotivation und fairem Miteinander in der Gruppe entsteht. Konzentrationstraining, der Umgang mit Misserfolgen, aber vor allem Gruppenfähigkeit und der Erwerb von Selbstvertrauen stehen im Zielvordergrund.
Disziplinen
Jonglage, Zauberei, Äquilibristik (Gleichgewichtskunst), Fakirkünste und Clownerie stellen das klassische Spektrum der zirkuspädagogischen Disziplinen dar.
Lernziele
Zirkuspädagogik steht für die Förderung von kognitiven, motorischen, psychologischen und sozialen Kompetenzen.
Kognitive Lernziele: Kreativität und eigenständige Methodikentwicklung
Motorische Lernziele: Verbesserung von u.a. Hand-Auge-Koordination und Körperwahrnehmung
Psychologische Lernziele: unter anderem Angst- und Stressabbau (Prüfungsangst bzw. Lernstress)
Soziale Lerninhalte: unter anderem Steigerung der Konfliktfähigkeit und Kritikannahme
Zirkuspädagogik steht nicht für:
ein Betätigungsfeld von selbsternannten und nicht ausreichend geschulten PädagogInnen, die sich bestehender Konzepte bedienen und die Lernziele modifizieren (Leistungsgedanke, Einsatz von nichtmenschlichen Tieren). Wie eingangs erwähnt, muss die pädagogische Arbeit nicht im Vordergrund stehen, allerdings ist ein fundierte pädagogische Ausbildung unverzichtbar, um dem Anspruch der Profession und den unterschiedlichen Dynamiken der jeweiligen Adressatengruppen gerecht zu werden.
Zirkuspädagogik darf kein Mittel für Schulprojekte oder den Sportunterricht sein, um im Anschluss der Notenfindung zu dienen. Der Leistungscharakter zerstört jedes pädagogische Ziel. Ebenso wenig steht Zirkuspädagogik für den Missbrauch von wehrlosen Individuen. Pädagogische Lerninhalte können nicht vermittelt werden, wenn für den Erwerb angestrebter Sozialkompetenzen und einer positiven Persönlichkeitsentwicklung andere Lebewesen ausgenutzt und benutzt werden. Die Bildung von empathischen und sozialintelligenten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen muss scheitern, wenn das Schicksal nichtmenschlicher Tiere im Zirkus (Stress, Lärm, Enge, durch die Lande karren, widernatürliche Kunststücke, Drill, direkte menschliche Gewalteinwirkung etc.) wie auch im Kontext von Nahrung (Fleisch, Milch, Eier, Honig), Kleidung (Leder, Wolle,Daunen, Pelz) und Belustigung (Zoo, Tierpark, Delphinarium) als normal und unhinterfragbar angesehen wird.
Gewaltlosigkeit und Achtung vor dem Leben sind unbedingte Charaktereigenschaften, die es auszubilden gilt. Dies gelingt nicht, wenn bei „pädagogischen“ Projekten das Leid unfreiwilliger Teilnehmer außer Acht gelassen wird. Zirkuspädagogik hat zu keiner Zeit nichtmenschliche Tiere als Bestandteil seines Konzepts erachtet und das wird bei seriösen PädagogInnen auch so bleiben.
Olaf Parré
(Zirkuspädagoge, Bachelor-Studium der Sozialpädagogik an der Evangelischen Hochschule
Darmstadt, Master-Studim der Sozialpädagogik in Darmstadt)
olafparre@gmx.de
weitere Infos zum Thema:
Tiernutzer verbreiten ihre Propaganda seit Jahren auch in Schulen. Jäger, Angler,
Fleischproduzenten und die Tierexperimentatorenlobby, alle fallen sie seit Jahren mit Projekten über die Jugend her, die zum Teil sogar als Tierschutz getarnt sind. Landwirtschaftsverbände und
Zirkusse gestalten ganze Projektwochen in Kindergärten und Schulen. Allen diesen Veranstaltungen ist gemein, dass sie einen Riesenerfolg haben, weil sie die Tierliebe der Kinder und Jugendlichen
ansprechen. Und, dass sie eine gute Presse bekommen, denn die Kombination Kinder und Tiere ist allgemein beliebt. Wir bitten jeden, der etwas für Tiere tun will, sich für gute Aktionen in Schulen
zu engagieren. Nur wenn wir flächendeckend eingreifen, energisch ein Gegengewicht schaffen, haben die Schüler die Möglichkeit , die Werbung der Tiernutzer als das zu erkennen, was sie ist:
Bemühungen, die Tierausbeutung in unserer Gesellschaft schönzureden und weiter fortzusetzen.