JAGD - Naturschutz oder Blutsport?
Thomas Winter
Textauszug
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Neozoen: "Neubürger" in Deutschland
"Der Marderhund ist merkwürdigerweise nur bei Jägern unbeliebt. Ich kenne keine wissenschaftliche Untersuchung, die belegt, dass er der einheimischen Tierwelt schadet."
- Josef Reichholf, Ökologe an der Zoologischen Staatssammlung in München.
Weltweit sorgen Umsiedelung, Einbürgerung und Einschleppung von Tieren für Probleme, im Zeitalter des weltweiten Güterverkehrs mehr denn je. Als "Neozoen" werden "Neubürger" bezeichnet, also gebietsfremde Arten. Einige davon haben wir im letzten Kapitel kennengelernt. Allerdings muss eine Einwanderung oder Einschleppung einer Tierart in einen fremden Lebensraum noch längst nicht bedeuten, dass Probleme, wie sie Fasan oder Sikahirsch verursachen, auch zwangsläufig auftreten. Einige importierte Arten können schwere Schäden in der fremden Umwelt anrichten, andere hingegen integrieren sich vollkommen problemlos. In Deutschland sind bisher etwa 1.000 Neubürger nachgewiesen. Viele haben sich ohne viel Aufsehen in unserer Natur "eingenischt", ohne zum Problem zu werden.
Einige dieser Arten, die sich rasch ausbreiten, werden von der Jägerschaft allerdings als "Schädlinge" gesehen. Streitpunkt sind vor allem drei Arten: der Mink, der Waschbär und der Marderhund. Patentrezept der Waidmänner sind natürlich auch hier Jagdflinte und Wildtierfalle. Mittlerweile haben diese drei Tierarten in Deutschland Jagdzeiten verpasst bekommen (von Land zu Land unterschiedlich), um ihre weitere Verbreitung zu verhindern. In vielen Bundesländern haben sie noch nicht einmal eine Schonzeit, dürfen also das ganze Jahr über bejagt werden. Allerdings ist die Bedrohung der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt durch diese drei Tierarten alles andere als belegt.
Keine stichhaltigen Argumente
Der Mink oder Amerikanische Nerz ist ein Wassertier, das aus Nordamerika stammt und in Europa in Pelzfarmen gezüchtet wurde. In den 1920er Jahren entkamen Tiere aus
Zuchtbetrieben und wurden in einigen europäischen Ländern heimisch. Der Spiegel berichtet, dass diese Tiere z. B. in Polen zum Problem werden, weil sie nach Meinung einiger Ornithologen
und Forstwissenschaftler Singvögel und andere Vogelarten gefährden, sie erbeuten dort sogar junge Biber.
Eine wirkliche Bedrohung anderer Tierarten ist trotz aller Alarmrufe allerdings bisher nicht bewiesen. Der Mink besetzt anscheinend eine sehr ähnliche ökologische Nische wie der Europäische Nerz. Man sollte meinen, es gäbe zwischen ihnen eine starke Konkurrenz. Verdrängen braucht der Mink den Nerz aber nicht mehr, weil dieser in weiten Teilen Mitteleuropas ausgerottet wurde. Der letzte Nachweis für Deutschland stammt aus Niedersachsen aus dem Jahr 1925. Allerdings ist der Mink ein Hindernis für Bemühungen, den Nerz wieder anzusiedeln, da er diesen verdrängt.
Da der Mink dem Europäischen Nerz in seiner Lebensweise sehr ähnlich ist, ist es unwahrscheinlich, dass er andere Tierarten gefährdet. Er besetzt schließlich nur
eine ökologische Nische neu, die „leergejagt“ wurde. So ist eine immer wieder befürchtete Bedrohung des Fischotters durch direkte Konkurrenz unwahrscheinlich: Nicht nur erbeutet der Fischotter
weitaus größere Fische als der Mink, der amerikanische Einwanderer hat auch noch viele andere Beutetiere, weswegen eine Konkurrenz zwischen den beiden Arten wenig wahrscheinlich ist. Der Mink ist
denn auch ein typischer generalistischer Beutegreifer: Er holt sich jeweils das, was am häufigsten erreichbar und am einfachsten zu erbeuten ist. Er kann sogar als "Nützling" gesehen werden, denn
er vertilgt auch verschiedene Nagetiere in bedeutenden Mengen. Das sächsische Umweltministerium teilt dementsprechend mit, dass bisher keine Gefährdung einheimischer Arten durch den Mink
nachgewiesen werden konnte.
Die Verbreitung des aus Nordamerika stammenden Waschbären konzentriert sich auf Hessen, es gibt ihn jedoch in weiten Teilen Deutschlands. Auch er stammt ursprünglich aus der Pelzzucht; die Keimzelle des westdeutschen Vorkommens bildeten zwei Paare, die 1934 in Hessen ausgesetzt wurden. Es ist von einer stark steigenden Waschbärpopulation in Deutschland auszugehen. Ähnlich wie der Fuchs ist auch der Waschbär ein Generalist, der sich von allem mäglichen ernährt. Eine Gefährdung von Singvogelarten, die unter anderem als Begründung für die Bejagung dient, ist unwahrscheinlich. Der Zoologe Ulf Hohmann von der Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz hält so etwas für ausgeschlossen. Außerdem gibt es keine Untersuchungen aus Deutschland, die einen Einfluß auf bestimmte Beutetiere belegen.